1D_11/2007: Keine Verweigerung der Einbürgerung wegen Kopftuchs der Ehefrau (amtl. Publ.)

Zwei bosnis­che Staat­sange­hörige wur­den nach 12-jähriger Aufen­thalts­dauer in der Schweiz durch die Ein­wohn­er-Gemein­de­v­er­samm­lung der Gemeinde Birr (AG) nicht einge­bürg­ert, u.a. weil die Ehe­frau ein Kopf­tuch trug. Die Ablehnung des Ein­bürgerungs­ge­such­es in Bezug auf den Ehe­mann wurde auss­chliesslich mit dem Tra­gen des Kopf­tuch­es sein­er Ehe­frau begründet. 

Die Begrün­dung der Ablehnung bei der Ehe­frau, die nicht nur auf das Kof­p­tuch, son­dern auch auf man­gel­nde Deutsch- und Staatskun­deken­nt­nisse Bezug nahm, wurde vom Bun­des­gericht nicht bemän­gelt. Anders beim Ehe­mann: Die Glaubens- und Gewis­sens­frei­heit (BV 15, die u.a. das Tra­gen des Kopf­tuchs schützt) hat auch einen objek­tivrechtlichen Gehalt, der auch im Ein­bürgerungsver­fahren zu beacht­en ist. Dieser Grund­satz wurde hier verletzt: 

Dieser Umstand ist nicht nur geeignet, Frauen, die sich zum Islam beken­nen und das Kopf­tuch tra­gen, gegenüber Män­nern und solchen Frauen, die das Kopf­tuch trotz des Beken­nt­niss­es zum Islam nicht tra­gen oder ein­er andern Glauben­srich­tung verpflichtet sind, im Ein­bürgerungsver­fahren zu benachteili­gen und recht­sun­gle­ich zu behan­deln oder ihnen die Erlan­gung des Bürg­er­rechts gar zu verun­möglichen. Dieser Umstand bet­rifft auch Män­ner, deren Frauen sich zum Islam beken­nen und das Kopf­tuch tra­gen, und zwar unab­hängig davon, ob sie diese aus dem Islam abgeleit­ete und von der Ehe­frau befol­gte Bek­lei­dungsweise befür­worten oder nicht. Der neg­a­tive Beschluss der Ein­wohn­er-Gemein­de­v­er­samm­lung beruht somit im Aus­gangspunkt auf einem Merk­mal, das nach Art. 8 Abs. 2 BV ver­pönt und im Grund­satz unzuläs­sig ist. Insoweit ist der Beschw­erde­führer in spez­i­fis­ch­er Weise gegenüber andern Gesuch­stellern ungle­ich behan­delt und diskri­m­iniert worden.”