5C.287/2006: Massnahmezuständigkeit nach IPRG 10 bei ausl. Scheidungsklage (amtl. Publ.)

Ist im Aus­land eine Schei­dungsklage anhängig, beste­ht, wie das BGer erneut entsch­ied, in der Schweiz eine Zuständigkeit für vor­sor­gliche Mass­nah­men für die Zeit des Schei­dungsver­fahrens nur im Rah­men von IPRG 10.

Wenn im Aus­land eine Schei­dungsklage anhängig ist, beste­ht in der Schweiz grund­sät­zlich keine Zuständigkeit nach IPRG 46 für den Erlass von Eheschutz­mass­nah­men mehr: Die Regel, wonach nach Recht­shängigkeit eines Schei­dungs­begehrens nur noch vor­sor­gliche Mass­nah­men für die Zeit des Schei­dungsver­fahrens getrof­fen wer­den kön­nen, ist auch im inter­na­tionalen Ver­hält­nis anwend­bar, wie das BGer bere­its 1991 entsch­ieden hatte. 

Eine Aus­nahme gilt, wenn abse­hbar ist, dass das aus­ländis­che Schei­dung­surteil in der Schweiz nicht anerkennbar sein wird. Dass die Wohn­sitzver­hält­nisse des Klägers zur Zeit der Schei­dungsklage umstrit­ten waren, reichte allerd­ings nicht, im Rah­men des Eheschutzbegehrens die offen­sichtliche Unzuständigkeit des Schei­dungs­gerichts im Aus­land anzunehmen.

Eine Zuständigkeit lässt sich aber auf IPRG 10 stützen: 

Nach Inkraft­treten des IPRG hat das Bun­des­gericht im Urteil 5C.243/1990 vom 5. März 1991 (E. 2c und 5a, SJ 1991 S. 463, 465) bestätigt, dass der in BGE 104 II 246 aus­ge­sproch­ene Grund­satz eines lück­en­losen Rechtss­chutzes, d.h. die Gewährleis­tung des notwendi­gen und unverzüglichen Schutzes durch Mass­nah­men in inter­na­tionalen Schei­dun­gen bei der Trag­weite von Art. 10 IPRG zu berück­sichti­gen ist. Das Oberg­ericht hat zu Recht angenom­men, dass Art. 10 IPRG eine schweiz­erische Mass­nah­men­zuständigkeit begrün­den kann, wenn — wie hier — die Schei­dungsklage vor einem aus­ländis­chen Gericht hängig ist.”

Mass­nah­men nach IPRG 10 set­zen ein entsprechen­des Rechtss­chutz­in­ter­esse voraus. Auch insofern bestätigt das BGer seine Rechtsprechung: 

Im bere­its erwäh­n­ten Urteil aus dem Jahre 1991 hat das Bun­des­gericht (…) Fall­grup­pen aufgezählt, (…). Dies ist der Fall, (1.) wenn das vom aus­ländis­chen Gericht anzuwen­dende Recht keine dem Art. 137 ZGB (…) ver­gle­ich­bare Regelung ken­nt; (2.) wenn Mass­nahme­nentschei­de des aus­ländis­chen Schei­dungs­gerichts am schweiz­erischen Wohn­sitz der Partei(en) nicht voll­streckt wer­den kön­nen; (3.) wenn Mass­nah­men zur Sicherung kün­ftiger Voll­streck­ung in Ver­mö­gen­sob­jek­te in der Schweiz ange­ord­net wer­den sollen; (4.) wenn Gefahr in Verzug ist, oder (5.) wenn man nicht damit rech­nen kann, dass das aus­ländis­che Gericht innert angemessen­er Frist entschei­det (…). Es gibt keinen Anlass, diese [Recht­sprechung] in Frage zu stellen.”