6B_132/2009: Ungetreue Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung, Betrug u.a.; Konfrontationseinvernahme

Das Bun­des­gericht hat ein Urteil wegen mehrfach­er unge­treuer Geschäfts­be­sorgung, Urkun­den­fälschung, Betrugs und ander­er Delik­te bestätigt (6B_132/2009). Es ver­warf die Rüge des Beschw­erde­führers, die Vorin­stanz habe Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK ver­let­zt, als sie die Aus­sagen des während des Ver­fahrens ver­stor­be­nen Zeu­gen Y. ver­w­ertete. Dieser war nie unter­suchungsrichter­lich ein­ver­nom­men und mit dem Beschw­erde­führer kon­fron­tiert wor­den. Nach Ansicht des Bun­des­gerichts haben die Strafver­fol­gungs­be­hör­den nicht zu vertreten, dass Ein­ver­nahme und Kon­fronta­tion nicht mehr nachge­holt wer­den kön­nen. Zudem sei die Aus­sage des Y für die Verurteilung nicht von tra­gen­der Bedeu­tung gewesen.

In Anlehnung an seine bish­erige Recht­sprechung führt das Bun­des­gericht aus, dass von der Kon­fronta­tion des Angeklagten mit dem Belas­tungszeu­gen ohne Ver­fas­sungs- und Kon­ven­tionsver­let­zung abge­se­hen wer­den könne, wenn dies aus äusseren Umstän­den, die die Strafver­fol­gungs­be­hör­den nicht zu vertreten haben, unmöglich ist, etwa weil der Zeuge gestor­ben oder sonst­wie dauernd ein­ver­nah­me­un­fähig gewor­den ist. Es sei in diesen Fällen allerd­ings erforder­lich, dass der Beschuldigte zu den belas­ten­den Aus­sagen hin­re­ichend Stel­lung nehmen kann, diese sorgfältig geprüft wer­den und der Schuld­spruch nicht allein darauf abgestützt wird.

Unter diesem Blick­winkel beleuchtet das Gericht Art. 224 Abs. 1 und 230 Ziff. 2 des Bern­er Geset­zes über das Strafver­fahren vom 15. März 1995 (StrV):

Das Bern­er Sys­tem, zunächst ein (geheimes) polizeilich­es Ermit­tlungsver­fahren durchzuführen und dann, gestützt auf dessen Ergeb­nisse, eine (parteiöf­fentliche) Strafver­fol­gung zu eröff­nen oder nicht, ist nicht grund­sät­zlich zu bean­standen. Es hat den Vorteil, dass der Unter­suchungsrichter Angeschuldigte, Auskun­ftsper­so­n­en und Zeu­gen geziel­ter befra­gen und ihnen die bere­its erhobe­nen Beweis­mit­tel vorhal­ten kann. Der Nachteil liegt darin, dass die unter­suchungsrichter­liche Ein­ver­nahme von Belas­tungszeu­gen und deren Kon­fronta­tion mit den Angeschuldigten in einem rel­a­tiv späten Zeit­punkt erfolgen.“

Im vor­liegen­den Fall hat­te das Bun­des­gericht zu berück­sichti­gen, dass der Sachver­halt im Sexm­i­lieu ange­siedelt war und undurch­sichtige wirtschaftliche Abläufe, an denen ver­schiedene Pri­vat­per­so­n­en und Fir­men beteiligt waren, zu Grunde lagen.

Es ist unter diesen Umstän­den jeden­falls nicht zu bean­standen, dass das polizeiliche Ermit­tlungsver­fahren ein Jahr nach Ein­gang der ersten Strafanzeige noch nicht abgeschlossen war. Es wird nicht gel­tend gemacht und ist nicht ersichtlich, dass die polizeilichen Ermit­tler mit dem Ableben von Y. rech­nen mussten und daher allen­falls im Hin­blick darauf gehal­ten gewe­sen wären, vorzeit­ig eine unter­suchungsrichter­liche Kon­fronta­tion­sein­ver­nahme zwis­chen ihm und dem Beschw­erde­führer zu ver­an­lassen. Die Rüge, die objek­tive Unmöglichkeit, Y. als Belas­tungszeu­gen einzu­vernehmen und mit dem Beschw­erde­führer zu kon­fron­tieren, sei von den Strafver­fol­gungs­be­hör­den zu vertreten, ist unter diesen Umstän­den unbe­grün­det. Unzutr­e­f­fend ist zudem die Behaup­tung des Beschw­erde­führers, auss­chliesslich oder zur Haupt­sache gestützt auf die Aus­sage von Y. verurteilt wor­den zu sein. Ihnen kommt keine vor­rangige Bedeu­tung zu. Der Schuld­spruch beruht vielmehr auf der Würdi­gung ver­schieden­er Zeu­ge­naus­sagen und weit­er­er Beweis­mit­tel. Unter diesen Umstän­den ist die (Mit-)berücksichtigung der Aus­sagen von Y. ver­fas­sungs- und kon­ven­tion­srechtlich nicht zu beanstanden.“