1B_205/2009 und 1B_206/2009: Akteneinsicht im Strafverfahren

Die Eheleute A. befind­en sich in einem Schei­dungsver­fahren, und gegen den Ehe­mann Z.A. wird, gestützt auf eine Strafanzeige der Ehe­frau Y.A., eine Stra­fun­ter­suchung wegen Ver­nach­läs­si­gung von Unter­halt­spflicht­en (Art. 217 StGB) durchge­führt. Mit Ver­fü­gung der Staat­san­waltschaft soll­ten Y.A. die voll­ständi­gen Unter­suchungsak­ten zur Ein­sicht­nahme zugestellt wer­den. Dage­gen wen­dete sich die X.-AG, weil sie um ihre Geschäfts­ge­heimnisse fürchtete, und beantragte, von den sich in den Unter­suchungsak­ten befind­lichen Doku­menten der X.-AG seien nur jene an den Geschädigten­vertreter her­auszugeben, die Zahlun­gen zugun­sten oder zulas­ten Z.A. beträfen, während Unter­la­gen, aus denen Zahlun­gen von und an Dritte ersichtlich seien, nicht bekan­nt­gegeben oder in geeigneter Weise abgedeckt wer­den müssten. Mit Urteil vom 30. Sep­tem­ber 2009 (1B_205/2009 und 1B_206/2009) wies das Gericht die Beschw­erde ab.

Zunächst ver­wirft das Gericht die Rüge der Beschw­erde­führerin, der Entscheid zur Gewährung auf Aktenein­sicht ver­let­ze das Legal­itäts- und Verhältnismässigkeits-prinzip:

2.1 […] Die Beschw­erde­führerin verken­nt, dass das Legal­ität­sprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV) – abge­se­hen von sein­er spez­i­fis­chen Bedeu­tung im Strafrecht und im Abgaberecht – kein ver­fas­sungsmäs­siges Indi­vid­u­al­recht ist, son­dern ein Ver­fas­sungs­grund­satz, dessen Ver­let­zung nicht selb­st­ständig, son­dern nur im Zusam­men­hang mit ins­beson­dere der Ver­let­zung des Grund­satzes der Gewal­tentren­nung, der Rechts­gle­ich­heit, des Willkürver­bots oder eines speziellen Grun­drechts gerügt wer­den kann (BGE 134 I 322 E. 2.1 S. 326 mit Hinweis).

2.2 Ähn­lich ver­hält es sich mit dem Ver­hält­nis­mäs­sigkeit­sprinzip, welch­es die Beschw­erde­führerin eben­falls als ver­let­zt rügt. Dieses ist in Art. 5 Abs. 2 BV als all­ge­mein­er Ver­fas­sungs­grund­satz ver­ankert und kann bei der Anwen­dung kan­tonalen Rechts ausser­halb des Schutzbere­ichs spezieller Grun­drechte nur unter dem Gesichtswinkel des Willkürver­bots angerufen wer­den (BGE 134 I 153 E. 4 S. 156 ff. mit Hinweisen). […]

Zudem gibt das Gericht der Vorin­stanz recht, die davon aus­ge­gan­gen war, dass das Geschäfts- und Bankge­heim­nis der Aktenein­sicht nicht ent­ge­gen­stünde, zumal die Geschädigte wom­öglich bess­er als die Staat­san­waltschaft in der Lage sei, in der Unter­suchung nach ver­steck­ten Einkom­mens- und Ver­mö­genswerten zu forschen sowie zur Aufdeck­ung von Scheingeschäften beizutragen:

2.3.4 […] Die Ober­staat­san­waltschaft ist richtiger­weise davon aus­ge­gan­gen, dass das Geschäfts- und das Bankge­heim­nis der Aktenein­sicht nicht in jedem Fall ent­ge­gen­ste­hen, son­dern ein­er Inter­essen­ab­wä­gung zugänglich sind (BGE 129 I 249 E. 3 S. 253 f.; 113 Ia 1 E. 4a S. 4 f.; Urteil 1P.330/2004 vom 3. Feb­ru­ar 2005 E. 3.2, in: Pra 2005 Nr. 70 S. 533; je mit Hin­weisen). Neben dem pri­vat­en, aus dem Anspruch auf rechtlich­es Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und dem kan­tonalen Ver­fahren­srecht (§ 10 Abs. 3 StPO/ZH) fliessenden Recht auf Aktenein­sicht ist laut dem ange­focht­e­nen Entscheid auch das öffentliche Inter­esse an der Sachver­halt­saufk­lärung zu berück­sichti­gen. So soll die Geschädigte auf­grund ihrer per­sön­lichen Beziehung zum Angeschuldigten wom­öglich bess­er als die Staat­san­waltschaft selb­st zur Aufdeck­ung von Scheingeschäften beitra­gen kön­nen. Dass die Vorin­stanz vor diesem Hin­ter­grund ein umfassendes Aktenein­sicht­srecht der Geschädigten bejahte, erscheint nicht als willkür­lich, zumal beim Ver­dacht auf Scheingeschäfte ger­ade auch danach zu forschen ist, ob nicht Dritte mit dem Angeschuldigten ver­bun­den sind und Anteil an ein­er zu verdeck­enden Transak­tion haben. […]