5A_428/2009: Einschränkung des Besitzes durch öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung (amtl. Publ.)

Die Eigen­tümerin von rund 30 Grund­stück­en in ein­er Gemeinde im Kan­ton Wal­lis klagte wegen Besitzesstörung u.a. gegen eine Flugschule, die auf ein­er der Grund­stücke Starts und Lan­dun­gen mit Deltaseglern durch­führte. Im betr­e­f­fend­en Grund­stück war eine Sport- und Erhol­ungszone aus­geschieden bzw. ein Delta- und Gleitschirm-Lan­de­platz mit Hin­dern­isfrei­hal­te­flächen eingeze­ich­net. Die erste Instanz hiess die Klage gut, die KGer VS wies sie ab. Gegen dieses Urteil gelangte die Eigen­tümerin an das Bundesgericht.

Das Bun­des­gericht weist die Beschw­erde ab. Zu unter­schei­den war zunächst der Besitz als tat­säch­liche Gewalt und das Recht an der Sache. Der sofor­tige Nach­weis durch den Beklagten seines besseren Rechts (ZGB 927 II) beste­ht nur bei der Besitze­sentziehung, nicht bei der Besitzesstörung, so dass an und für sich das Recht an der Sache beim Besitzess­chutzver­fahren wegen ein­er blossen Störung des Besitzes unberück­sichtigt bliebe. Den­noch spielt die materielle Recht­slage eine Rolle, namentlich zur “Abgren­zung des Besitzes” und damit der Voraus­set­zung der Besitzesstörung “durch ver­botene Eigen­macht” (ZGB 928 I), wie das BGer ausführt.

Ver­botene Eigen­macht liegt vor, wenn die Besitzesstörung wed­er durch den Besitzer noch das objek­tive Recht erlaubt ist. Im let­zteren Fall ist die Störung zu dulden, kann aber Entschädi­gungs­fol­gen nach dem Enteig­nungsrecht nach sich ziehen. Die Beschw­erdegeg­n­er hat­ten hier gel­tend gemacht, die Benützung der Grund­stücke im Perime­ter des Lan­de­platzes und der Hin­dern­isfrei­hal­te­flächen sei nicht ver­boten, son­dern durch das öffentliche Recht erlaubt. Die entsprechende Bes­tim­mung des Bau- und Zonen­re­gle­ments über die Sport- und Erhol­ungszone sah vor, dass in den als Start- und Lan­de­platz beze­ich­neten Flächen für Delt­a­gleit­er und Gleitschirme der Start bzw. die Lan­dung von Delt­a­gleit­ern und Gleitschir­men ges­tat­tet sei. 

Dieser Ein­wand betraft nicht das Recht an der Sache und kon­nte geprüft wer­den. Das BGer hielt dabei die Ausle­gung des KGer für vertret­bar, wonach den Eigen­tümern durch das Regle­ment eine Dul­dungspflicht aufer­legt und daher die Befug­nis ent­zo­gen wurde, das Betreten des Grund­stücks durch Dritte zum Zweck des Startens bzw. Lan­dens mit Hänge­gleit­ern abzuwehren. Auch die Auf­fas­sung, die Dul­dungspflicht beschränke die Ver­fü­gungs- oder Nutzungs­befug­nisse im Inter­esse der All­ge­mein­heit, war vertret­bar. Es lag daher kein Tatbe­stand der formellen Enteig­nung vor, die sich durch den Entzug und die Über­tra­gung ver­mö­genswert­er Rechte auf eine andere Per­son ausze­ich­net, son­dern eine öffentlich-rechtliche Eigen­tums­beschränkung. Die Abwehrrechte des Eigen­tümers kön­nen nur auf dem Weg der formellen Enteig­nung beschränkt werden, 

[…] und [dass] eine öffentlich-rechtliche Eigen­tums­beschränkung hier­für nicht aus­re­iche, ist wed­er ersichtlich noch dar­ge­tan. Das kan­tonale Gesetz zur Aus­führung des Bun­des­ge­set­zes über die Raum­pla­nung vom 23. Jan­u­ar 1987 (sGS/VS 701.1) sieht in Art. 13 Abs. 3 vor, dass die Gemein­den die Errich­tung von öffentlich-rechtlichen Eigen­tums­beschränkun­gen ver­lan­gen kön­nen, um die Ein­hal­tung ihrer Vorschriften über die zuläs­si­gen Nutzun­gen inner­halb der ver­schiede­nen Zonen sicherzustellen (…). Die Gemeinde durfte somit vom Kan­ton­s­gericht als zuständig erachtet wer­den, in ihrem Bau- und Zonen­re­gle­ment eine Dul­dungspflicht im oben erwäh­n­ten Sinne vorzusehen.” 

Das Regle­ment sah fern­er vor, dass inner­halb des Lan­de­platzes sowie in der angren­zen­den Hin­dern­isfrei­hal­te­fläche bes­timmte bauliche Mass­nah­men, die das Lan­den gefährden, unter­sagt waren. Wiederum war Ausle­gung vertret­bar, dadurch werde die Ver­fü­gungs­macht der Eigen­tümer insofern eingeschränkt, als jede Nutzungsart, die das Lan­den mit Hänge­gleit­ern behin­dern kön­nte, unter­sagt sei. — Gemäss dem Regle­ment waren die Eigen­tümer für die Nutzung angemessen zu entschädi­gen. Die Ansicht des KGer, die Entschädi­gung sei nicht Voraus­set­zung, son­dern Folge der Eigen­tums­beschränkung, vertret­bar. Für die Entschädi­gung habe die Beschw­erde­führerin deshalb nöti­gen­falls den Rechtsweg gegenüber der Gemeinde zu beschreiten.