6B_1099/2009: Führen eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs wegen fehlenden Treibstoffs

Wer ein nicht aus­re­ichend betank­tes Auto fährt, macht sich wegen des Führens eines nicht betrieb­ssicheren Fahrzeugs gemäss Art. 93 Ziff. 2 Abs. 1 SVG straf­bar, wie das Bun­des­gericht mit Urteil vom 16. Feb­ru­ar 2010 (6B_1099/2009) entsch­ied. Es bestätigte damit die Vorin­stanz, die den Begriff der Betrieb­ssicher­heit “nicht in einem engen, tech­nis­chen Sinne, son­dern in ein­er auch die Verkehrssicher­heit umfassenden Bedeu­tung” verstand.

Auch nach Ansicht des Bun­des­gerichts tang­iert fehlen­der Treib­stoff die Betrieb­sicher­heit eines Kraftfahrzeugs:

3.2 […] Was unter “Betrieb­ssicher­heit” respek­tive “Verkehrssicher­heit” fällt, kann nicht abschliessend beschrieben wer­den. […] Ein Fahrzeug kann […] die Verkehrssicher­heit beein­trächti­gen, selb­st wenn es den tech­nis­chen Anforderun­gen der VTS entspricht. Auch das Umgekehrte ist ohne Weit­eres möglich[…]. Verkehrssicher­heit und Vorschrifts­gemässheit brauchen sich nicht zu deck­en. Eben­so wenig ist ein Fahrzeug vorschrifts­gemäss im Sinne von Art. 93 Ziff. 2 SVG, wenn der Öltank nicht kor­rekt ver­schlossen wurde (vgl. Urteil 6S.740/1998 vom 16. Feb­ru­ar 1999 E. 2) oder der Reifendruck ungenü­gend ist. Das Gle­iche gilt, wenn das Fahrzeug über keinen Treib­stoff mehr ver­fügt. Fehlen­des Ben­zin schränkt nicht nur den ord­nungs­gemässen Betrieb eines Fahrzeugs ein, son­dern bringt diesen in aller Regel innert kurz­er Zeit zum Erliegen. Es sind ohne Weit­eres Sit­u­a­tio­nen denkbar, in denen die Verkehrsregeln man­gels Ben­zin nicht mehr befol­gt wer­den kön­nen. Genü­gend Treib­stoff ist deshalb für die Verkehrssicher­heit von erhe­blich­er Bedeu­tung. Daran ändert […] der Umstand nichts, dass nicht ein “tech­nis­ch­er” Man­gel vor­liegt. Einen tech­nis­chen Man­gel erwäh­nt das Gesetz nicht, und die Unter­schei­dung zwis­chen einem tech­nis­chen Man­gel im engeren und weit­eren Sinn (beispiel­sweise abgenützte Brems­beläge respek­tive man­gel­nde Brems­flüs­sigkeit) hil­ft hier nicht weit­er. Die Betrieb­ssicher­heit (beispiel­sweise genü­gende Brem­sleis­tung) wird in bei­den Fällen tang­iert. Auf welche Ursache der Man­gel zurück­zuführen ist, ist in diesem Zusam­men­hang uner­he­blich. Ob er dem Fahrzeugführer tat­säch­lich zur Last gelegt wer­den kann, beurteilt sich unter Berück­sich­ti­gung der Sorgfalt­spflicht­en im konkreten Fall. Nicht wesentlich ist deshalb, ob der Man­gel auf einen tech­nis­chen respek­tive mech­a­nis­chen Fehler oder aber auf einen unzure­ichen­den Unter­halt zurück­zuführen ist, wie dem Tanken, dem Auf­füllen von Brems­flüs­sigkeit oder dem Reini­gen der Scheiben. Deshalb gehört zur Unter­halt­spflicht und Kon­trolle des Fahrzeugs auch die Pflicht, für aus­re­ichen­den Treib­stoff besorgt zu sein. Diese Pflicht kann grund­sät­zlich — im Gegen­satz zur tech­nis­chen Kon­trolle durch den Garag­is­ten — ohne Weit­eres vom Fahrzeu­glenker mit einem Blick auf die Ben­z­i­nanzeige beachtet wer­den. Ihre Ver­let­zung respek­tive das Führen eines ungenü­gend aufge­tank­ten Fahrzeugs schafft eine zumin­d­est abstrak­te Gefährdung, die in Anwen­dung von Art. 93 Ziff. 2 SVG als Übertre­tung zu erfassen und, unab­hängig von allfäl­lig ver­let­zten Verkehrsregeln, zu ver­fol­gen ist.