6B_323/2010: Strafzumessung; Gesamtstrafe, Rücksetzung und Strafmassempfehlung

Das Bun­des­gericht hiess mit Urteil vom 23. Juni 2010 (6B_323/2010) eine Beschw­erde gut, die sich gegen die Strafzumes­sung mit der Begrün­dung richtete, die Vorin­stanz habe eine deut­lich zu hohe Strafe aus­ge­sprochen und auf eine falsche Stra­fart erkannt. 

Bei der Beurteilung der erkan­nten Gesamt­frei­heitsstrafe äussert sich das Bun­des­gericht ein­gangs zu den Gren­zen der Gesamt­strafen­bil­dung gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB:

2.2 […] Das Asper­a­tionsprinzip kommt nur bei mehreren gle­ichar­ti­gen Stra­farten zum Zug. Muss das Gericht ein­er­seits für ein Verge­hen eine Frei­heits- oder Geld­strafe, ander­er­seits für eine Übertre­tung eine Busse aussprechen, ist Art. 49 Abs. 1 StGB nicht anwend­bar. Übertre­tun­gen sind somit stets mit Busse zu ahn­den, selb­st wenn gle­ichzeit­ig eine Verurteilung wegen eines Verge­hens oder eines Ver­brechens erfol­gt ([…] 6B_65/2009 vom 13.07.2009 E. 1.2 und 6B_890/2008 vom 6.4.2009 E. 7.1).


Weit­er heisst es zur Berech­nung der Gesamtstrafe:

3.2 […] Nach der geset­zlich vorge­se­henen Meth­ode hat das Gericht indes von der Ein­satzs­trafe auszuge­hen und diese in ein­er Gesamtwürdi­gung angemessen zu erhöhen […]. Zwar hin­dert dies das Sachgericht nicht, das Mass der Ein­satzs­trafe und den Umfang der Schär­fung in Zahlen auszu­drück­en, zumal das Sachgericht die Über­legun­gen, die es bei der Bemes­sung der Strafe angestellt hat, in seinem Urteil so darstellen muss, dass erkennbar wird, welche Gesicht­spunk­te es in welchem Sinne berück­sichtigt hat. Auf­grund dessen kön­nen Zahle­nangaben aus­nahm­sweise geboten sein, wenn die Prü­fung, ob die Strafzumes­sung mit dem Bun­desrecht im Ein­klang ste­ht, ohne zahlen­mäs­sige Angabe der Höhe der jew­eili­gen Strafen nicht möglich ist (BGE 118 IV 119 E. 2b; 127 IV 101 E. 2c).

[…] bei der Bemes­sung der Gesamt­strafe müssen die einzel­nen Straftat­en in einem selb­ständi­gen Schritt inner­halb des erweit­erten Strafrah­mens gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB gewürdigt wer­den. Dabei sind namentlich das Ver­hält­nis der einzel­nen Tat­en untere­inan­der, ihr Zusam­men­hang, ihre grössere oder gerin­gere Selb­ständigkeit sowie die Gle­ich­heit oder Ver­schieden­heit der ver­let­zten Rechts­güter und Bege­hungsweisen zu berück­sichti­gen. Der Gesamtschuld­beitrag des einzel­nen Delik­ts wird dabei geringer zu ver­an­schla­gen sein, wenn die Delik­te zeitlich, sach­lich und sit­u­a­tiv in einem engen Zusam­men­hang stehen […].

Zudem führt das Bun­des­gericht fol­gen­des zur Gesamt­strafen­bil­dung im Rück­set­zungsver­fahren nach Art. 89 Abs. 6 StGB aus:

2.3 [Dabei] hat das Gericht method­isch von der­jeni­gen Strafe als “Ein­satzs­trafe” auszuge­hen, die es für die während der Probezeit neu verübte Straftat nach den Strafzumes­sungs­grund­sätzen von Art. 47 ff. StGB aus­fällt. Die für die neuen Straftat­en aus­ge­fällte Frei­heitsstrafe bildet als Ein­satzs­trafe die Grund­lage der Asper­a­tion. Das Gericht hat diese fol­glich mit Blick auf den Vorstrafen­rest angemessen zu erhöhen. Daraus ergibt sich die Gesamt­strafe im Rück­ver­set­zungsver­fahren (BGE 135 IV 146 E. 2.4.1).

Zulet­zt hält das Bun­des­gericht in E. 3.1 fest, dass es „für sich allein allerd­ings noch keinen Grund für die Annahme ein­er bun­desrechtswidri­gen Strafzumes­sung“ darstelle, wenn die aus­ge­sproch­ene Strafe deut­lich über den Straf­massempfehlun­gen der Staat­san­waltschaft liegt, „zumal der­ar­ti­gen Tar­ifen lediglich Richtlin­ien­funk­tion zukommt und diese dem Richter nur als Ori­en­tierung­shil­fe dienen, ohne ihn zu binden“.