1B_3/2011: Einstellung des Verfahrens; Entscheidbegründung und Unschuldsvermutung

Im Zusam­men­hang mit der soeben zusam­menge­fassten Entschei­dung (siehe unten­ste­hen­den Beitrag) reichte die Unfall­beteiligte eine weit­ere Beschw­erde ein, hinge­gen mit Urteil vom 20. April 2011 (1B_3/2011) abgewiesen wurde. Die Beschw­erde richtete sich gegen die Ein­stel­lung der Stra­fun­ter­suchung, welche gegen die Beschw­erde­führerin selb­st geführt wurde, mit dem Antrag, in der Entschei­d­be­grün­dung festzuhal­ten, dass ein sie tre­f­fend­es strafrechtlich­es Ver­schulden aus­drück­lich zu verneinen sei.

Das Bun­des­gericht trat auf die Beschw­erde nicht ein, weil defin­i­tiv­en Ver­fahren­se­in­stel­lun­gen die rechtlichen Wirkun­gen eines gerichtlichen Freis­pruch­es (Art. 320 Abs. 4 Eidg. StPO) innewohnen:

2.3 […] Die Ein­stel­lung (oder der Freis­pruch) “man­gels Beweisen” oder auch wegen eines materiellen geset­zlichen Straf­be­freiungs­grun­des führt nicht zu einem “Freis­pruch zweit­er Klasse”. Die Ver­fahrenserledi­gung zieht grund­sät­zlich die gle­ichen Recht­skraftwirkun­gen nach sich wie die Ein­stel­lung (oder der Freis­pruch) man­gels Tatbe­standes oder wegen pos­i­tiv­en Nach­weis­es der Unschuld […]. Eine Ein­stel­lung mit einem Schuld­vor­wurf zu verbinden, wäre mit der strafrechtlichen Unschuldsver­mu­tung (Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 10 Abs. 1 Eidg. StPO) nicht vereinbar […].


Im vor­liegen­den Fall war die Beschw­erde­führerin grund­sät­zlich nicht legit­imiert, eine zu ihren Gun­sten erfol­gte defin­i­tive Ver­fahren­se­in­stel­lung anzufecht­en, mit dem blossen Ziel, eine andere juris­tis­che Begrün­dung des Ein­stel­lungs­beschlusses zu erwirken:

2.4 […] Ob eine recht­suchende Per­son vom ange­focht­e­nen Entscheid beschw­ert ist (im Sinne von Art. 81 Abs. 1 BGG), ergibt sich aus dem Dis­pos­i­tiv […]. Es beste­ht kein rechtlich geschütztes Inter­esse an der zusät­zlichen Prü­fung und pos­i­tiv­en Fest­stel­lung, dass eine fol­gen­lose Ver­fahren­se­in­stel­lung (mit Wirkung eines Freis­pruchs) nicht “nur” wegen eines materiell­strafrechtlichen Straf­be­freiungs­grun­des geboten sei, son­dern dass es darüber hin­aus auch noch zum Vorn­here­in an jeglich­er strafrechtlichen Schuld bzw. Tatbe­standsmäs­sigkeit fehle. Ein Anspruch auf gerichtliche Fest­stel­lung der Schuld­losigkeit liesse sich auch aus der Unschuldsver­mu­tung nicht ableiten […].

Es drängte sich hier auch keine aus­nahm­sweise Zulas­sung der Beschw­erde zur spez­i­fis­chen Gewährleis­tung der Unschuldsver­mu­tung auf:

2.5 …] Im vor­liegen­den Fall ist es nicht zu einem Schuld­spruch per Straf­be­fehl oder Urteil gekom­men, son­dern zu ein­er fol­gen­losen Ein­stel­lung des Ver­fahrens. Bei defin­i­tiv­en Ein­stel­lun­gen — auch gestützt auf geset­zliche Straf­be­freiungs­gründe — wird bewusst von ein­er Entschei­dung über die Stich­haltigkeit ein­er Anklage und damit von ein­er formellen Schuld­fest­stel­lung abge­se­hen […].
2.5.2 Zwar […] darf ein Ein­stel­lungs­beschluss keine Schuld­fest­stel­lung enthal­ten. Damit der Rück­griff auf geset­zliche Straf­be­freiungs­gründe über­haupt eine Anwen­dungs­grund­lage haben kann, darf aber in entsprechen­den Ein­stel­lungs­beschlüssen von einem hin­re­ichen­den Tatver­dacht bzw. ein­er hypo­thetis­chen Straf­barkeit aus­ge­gan­gen wer­den ([…]. Wo eine Straf­barkeit schon zum Vorn­here­in weg­fiele, bestünde jeden­falls kein Anlass mehr zur Anwen­dung von beson­deren geset­zlichen Strafbefreiungsgründen. […]