6B_186/2011: Zweifelhafte Schuldfähigkeit; psychatrisches Gutachten

Ein u.a. wegen Mordes verurteil­ter Beschw­erde­führer gelangte vor das Bun­des­gericht, weil die Vorin­stanz sein­er Mei­n­ung nach nicht ihrer Pflicht nicht nachgekom­men sei, eine sachver­ständi­ge Begutach­tung sein­er Schuld­fähigkeit zu beantra­gen, obwohl durch sein jugendlich­es Alter (zum Tatzeit­punkt 20 Jahre) ern­sthafte Anhalt­spunk­te bestanden hät­ten, die zumin­d­est eine Beein­träch­ti­gung hät­ten ver­muten lassen müssen, und ihm eine lebenslange Frei­heitsstrafe gedro­ht hätte. Die ihm unter­stellte skru­pel­lose, durchtriebene und äusserst gefährliche Per­sön­lichkeitsstruk­tur könne nicht von Laien attestiert wer­den. Es hätte daher zwin­gend ein psy­chi­a­trisches Gutacht­en einge­holt wer­den müssen.

Das Bun­des­gericht weist die Beschw­erde mit Urteil vom 10. Juni 2011 (6B_186/2011) ab. Es hält fest, dass nach Art. 20 StGB ein Gutacht­en nicht nur anzuord­nen ist, wenn das Gericht tat­säch­lich Zweifel an der Schuld­fähigkeit hat, son­dern auch, wenn es nach den Umstän­den des Falls ern­sthafte Zweifel haben sollte (vgl. BGE 133 IV 145 E. 3.3 mit Hin­weisen). Im vor­liegen­den Fall hätte es aber keines Gutacht­ens hin­sichtlich Per­sön­lichkeit und Entwick­lungs­grad bedurft. Denn der Beschw­erde­führer zeigte in seinem Revi­sion­s­ge­such nicht auf, inwiefern bei ihm ein retardiert­er Reife- und Entwick­lungs­grad vor­liegt, der im Rah­men eines Gutacht­ens hätte unter­sucht wer­den sollen.

2.5 […] Eine zwin­gende psy­chi­a­trische Begutach­tung bei Kap­i­talver­brechen ohne konkrete Anhalt­spunk­te und Indika­tio­nen, wie vom Beschw­erde­führer im Ergeb­nis ver­langt, kann aus Art. 20 StGB nicht abgeleit­et wer­den. Da somit bun­desrechtlich keine Pflicht zur Ein­hol­ung eines psy­chi­a­trischen Gutacht­ens beste­ht, liegen keine neuen, vor dem Entscheid einge­tretene Tat­sachen oder Beweis­mit­tel vor, die einen Revi­sion­s­grund darstellen könnten.