In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS 7/2001) äussern sich Hendrik Schneider und Peter Gottschaldt zu “Offenen Grundsatzfragen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Compliance-Beauftragten in Unternehmen”. Die Ausführungen beziehen sich zwar vorrangig auf das deutsche Recht, lassen sich aber auf schweizerische Rechtsverhältnisse übertragen.
Die Autoren kommen zu folgenden Ergebnissen:
- Die Garantenstellung des Compliance-Verantwortlichen ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag, sofern dieser oder die zugrunde liegende Stellenbeschreibung erkennen lässt, dass dem Arbeitnehmer bestimmte Überwachungs- und/oder Schutzpflichten übertragen wurden und der Compliance-Verantwortliche diese Pflichten auch tatsächlich übernommen hat.
- Die vertraglich übernommenen Pflichten legen fest, ob eine Überwachung nur gegenüber den in der Unternehmenshierarchie nachgeordneten oder weisungsabhängigen Mitarbeitern erfolgen soll, oder ob auch die Geschäftsführung der Überwachung durch den Compliance-Verantwortlichen unterliegt.
- Arbeitsvertrag und Stellenbeschreibung sind auch für die Bestimmung der Grenzen der Erfolgsabwendungspflicht maßgeblich.
- Erfolgsabwendungspflichten sind nicht auf Erfolgsdelikte beschränkt, sie beziehen sich vielmehr auch auf die Verhinderung von Tätigkeitsdelikten, die von einem Mitarbeiter des Unternehmens begangen werden. In diesem Fall macht sich der Compliance-Verantwortliche aber lediglich wegen Beihilfe durch Unterlassen strafbar.
- Erfolgsabwendungspflichten bestehen, sofern man in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung die Figur der sukzessiven Beihilfe anerkennt, bis zur materiellen Beendigung des Delikts durch den Begehungstäter.