9C_479/2011: Zugehörigkeit von Freizügigkeitseinrichtungen zur beruflichen Vorsorge

Im Entscheid 9C_479/2011 vom 12. Sep­tem­ber 2011 hat­te das Bun­des­gericht zu entschei­den, ob die Anbi­eter von Freizügigkeit­spo­li­cen eine Pflicht haben, die oblig­a­torische Vor­sorge in Form ein­er Ver­sicherung für den Inva­lid­itäts­fall fortzuführen.

S. löste per Ende Okto­ber 2009 ihr Arbeitsver­hält­nis auf und über­mit­telte der Swiss Life AG die „Anmel­dung für eine Freizügigkeit­spo­lice“, gemäss der gegen die Ein­maleinalge der Freizügigkeit­sleis­tung im Alters- oder Todes­fall Kap­i­talleis­tun­gen und im Inva­lid­itäts­fall Renten­leis­tun­gen vorzuse­hen sind. Die Swiss Life AG lehnte den gewün­scht­en Inva­lid­ität­srisikoschutz wegen ein­er erweit­erten Gesund­heit­sprü­fung ab. Dage­gen führte S. Beschw­erde mit dem Begehren, ihr sei der Vor­sorgeschutz in Form ein­er Frezügigkeit­spo­lice mit Invali­den­rente gemäss FZG zu gewähren. Das Sozialver­sicherungs­gericht wies die Beschw­erde ab.

Auch das Bun­des­gericht wies die Beschw­erde ab und führte dazu fol­gen­des aus: Im Gegen­satz zur Kranken­ver­sicherung, die für alle in der Schweiz wohn­haften Per­so­n­en oblig­a­torisch ist, set­zt das berufsvor­sorg­erechtliche Oblig­a­to­ri­um ein­er­seits ein Beschäf­ti­gungsver­hält­nis und ander­er­seits einen Min­dest­lohn voraus (Art. 2 Abs. 1 BVG).

Die beru­fliche Vor­sorge geht ihrer Konzep­tion nach somit nicht von einem zeitlich lück­en­losen Oblig­a­to­ri­um aus. Erhal­tung des Vor­sorgeschutzes im Sinne von Art. 4 FZG bedeutet vielmehr die Erhal­tung des der Vor­sorge gewid­me­ten Ver­mö­gens für die Zeit, in welch­er eine Per­son kein­er Vor­sorgeein­rich­tung angeschlossen ist. Der Vor­sorgeschutz soll zum gegebe­nen Zeit­punkt zumin­d­est im geset­zlichen Umfang (vgl. betr­e­f­fend Invali­den­leis­tun­gen: Art. 23 ff. BVG) wieder aufgenom­men und ungeschmälert weit­erge­führt wer­den kön­nen. Insofern gehören die Freizügigkeit­sein­rich­tun­gen nur zur beru­flichen Vor­sorge im weit­eren Sinn; Freizügigkeit­spo­li­cen bzw. ‑kon­ti haben in der Regel eine blosse Über­brück­ungs­funk­tion (BGE 129 III 305 E. 3.3 S. 312 mit Hin­weis auf Thomas Koller, Fam­i­lien- und Erbrecht und Vor­sorge, in: recht, Stu­di­en­heft 4, 1997, S. 25). Eine Weit­er­führung (unter anderem) des Inva­lid­itätsver­sicherungss­chutzes gemäss BVG durch die Freizügigkeit­spo­lice ist denn auch nur auf fakul­ta­tiv­er Basis vorgesehen.

Weit­er führte das Bun­des­gericht aus, dass BVG und FZG zwar die Erhal­tung des Vor­sorgeschutzes vorschreiben, die Ver­sicherungsver­hält­nisse aber nicht geregelt wer­den, weshalb die Vorschriften des VVG zur Anwen­dung gelan­gen. Da im Hin­blick auf den Sinn und Zweck der Erhal­tung des Vor­sorgeschutzes kein Grund beste­ht von der im VVG gel­tenden Ver­trags­frei­heit abzuwe­ichen, existiert für die Anbi­eter von Freizügigkeit­spo­li­cen kein Kon­trahierungszwang. Dem­nach war die Swiss Life AG nicht verpflichtet, S. den gewün­scht­en Inva­lid­ität­srisikoschutz anzubieten.