OGer ZH (110052‑O/Z01) vs. BGer (5A_405/2011): Unentgeltliche Rechtspflege (auch) im Rechtsmittelverfahren?

Das Oberg­ericht Zürich (Urteil PC110052‑O/Z01 vom 27. Sep­tem­ber 2011) wider­spricht dem Bun­des­gericht (Urteil 5A_405/2011 vom 27. Sep­tem­ber 2011) und kommt zu dem Schluss, dass auch das Beschw­erde­v­er­fahren gegen einen neg­a­tiv­en Entscheid um unent­geltliche Recht­spflege kosten­los sei.

Das heisst, nach der kan­tonalen Entschei­dung gilt Art. 119 Abs. 6 ZPO, wonach im Ver­fahren um die unent­geltliche Recht­spflege — auss­er bei Bös- oder Mutwilligkeit — keine Gericht­skosten erhoben wer­den, eben­so für das Rechtsmittelverfahren.

Zur Begrün­dung heisst es unter anderem:

Auf dem Weg zu ein­er ein­heitlichen Prax­is im Zivil­prozess­recht seien abwe­ichende Mei­n­un­gen der kan­tonalen Gerichte wohl nicht nur erlaubt, son­dern auch erwün­scht (E. 2.2).

Da das Erheben von Kosten den Nor­mal­fall darstellt (Art. 95 f., 104 ff. ZPO), könne man daraus, dass die Kosten­losigkeit nicht in einem eige­nen und den Art. 119 und 121 ZPO gle­ich gestell­ten Artikel ange­ord­net wird, den Schluss ziehen, das Beschw­erde­v­er­fahren sei darum nicht kosten­los. Da die ZPO das kan­tonale Ver­fahren regle, und zwar sowohl in der ersten als auch in der Rechtsmit­telin­stanz, liege es nahe anzunehmen, dass das „Ver­fahren um die unent­geltliche Recht­spflege“ auch den kan­tonalen Weit­erzug umfasse (E. 2.3.1).

Die unent­geltliche Recht­spflege bliebe in ihrem Kern erhal­ten, auch wenn kan­tonale Rechtsmit­telver­fahren gegen ablehnende Entschei­de kostenpflichtig wür­den. Schliesslich sei ein solch­es Ver­fahren auch vor dem Bun­des­gericht nicht etwa kosten­frei (vgl. Art. 65 BGG). Zudem habe der Geset­zge­ber nur das Schlich­tungsver­fahren und nicht auch Entschei­d­ver­fahren in Miet­sachen kosten­frei aus­gestal­tet (Art. 113 Abs. 2 lit. c ZPO gegenüber Art. 114 ZPO) (E. 2.3.2).

Die Gerichte soll­ten sich gle­ich­wohl Zurück­hal­tung aufer­legen, wenn es um eine wenn auch nur teil­weise Schwächung der unent­geltlichen Recht­spflege (vgl. Art. 29 Abs. 3 BV) geht, und solche Ein­schränkun­gen der Geset­zge­bung über­lassen. Unter dem Aspekt der geset­zlichen Grund­lage für alle Gebühren lasse sich ausser­dem vertreten, Aus­nah­men von ein­er geset­zlich sta­tu­ierten Kosten­frei­heit eben­falls nur zurück­hal­tend anzunehmen (E. 2.3.2).

Das Gericht erhofft sich, mit sein­er Entschei­dung eine juris­tis­che Diskus­sion über die der (un-)entgeltlichen Recht­spflege im Beschw­erde­v­er­fahren anzure­gen (E. 2.3.3).

Siehe auch den Beitrag von Lawspot.com über den Entscheid des Oberg­erichts Zürich und unsere Berichter­stat­tung über das bun­des­gerichtliche Urteil.