4A_692/2011: Rechtsmissbräuchlichkeit der Verjährungseinrede zwischen Konzerngesellschaften verneint; schweizerisches Recht nach IPRG 18

Gegen­stand des vor­liegen­den Urteils des BGer war ein Stre­it zwis­chen Gesellschaften des des Pelikan-Konz­erns (der bekan­nte Tin­ten­pa­tro­nen­her­steller, der in Malaysia börsenkotiert ist). In einem Patentver­let­zungsver­fahren mit ein­er Drittpartei waren zwei Pelikan-Gesellschaften, die im Rah­men des Verkaufs von Pelikan-Pro­duk­ten Sales- und Logis­tik­di­en­stleis­tun­gen erbracht­en, zur Rech­nungsle­gung verpflichtet wor­den. Dazu waren diese Dien­stleis­tungs­ge­sellschaften jedoch nur mit Infor­ma­tio­nen ein­er drit­ten Pelikan-Gesellschaft, der Liefer­an­tin, in der Lage. Auf Auf­forderung der Rechtsin­hab­erin hin klagten die Dien­stleis­tungs­ge­sellschaften gegen die Liefer­an­tin auf Erteilung ver­schieden­er Auskün­fte, even­tu­aliter Aktenedi­tion, suben­ven­tu­aliter Akteneinsicht.

Die Vorin­stanzen, das BezGer Uster und das OGer ZH, wiesen die Klage nach deutschem Recht als ver­jährt ab, soweit sie darauf ein­trat­en. WIllkür­lich (vgl. BGG 96) war die Anwen­dung des deutschen Rechts aus Sicht des BGer nicht. Die Klägerin­nen hat­ten vor BGer aber auch den (rechtlichen) Ein­wand des Rechtsmiss­brauchs erhoben. Dieser unter­ste­ht als schweiz­erische loi d’ap­pli­ca­tion immé­di­ate grund­sät­zlich (Aus­nah­men bleiben vor­be­hal­ten, vor allem mit Bezug auf den Durch­griff) dem schweiz­erischen Recht:

Beim Rechtsmiss­brauchsver­bot nach Art. 2 ZGB han­delt es sich um eine Norm, die zum pos­i­tiv­en ordre pub­lic gehört und die nach Art. 18 IPRG unab­hängig von dem durch eine all­ge­meinere Kol­li­sion­sregel beze­ich­neten Recht zwin­gend anzuwen­den ist, soweit eine hin­re­ichende Bin­nen­beziehung zur Schweiz beste­ht (BGE 128 III 201 E. 1). Die Voraus­set­zung ein­er genü­gen­den Bin­nen­beziehung ist vor­liegend mit dem Sitz der Beschw­erdegeg­ner­in in der Schweiz ohne weit­eres erfüllt.

Die Erhe­bung der Ver­jährung­seinrede kann insb. dann rechtsmiss­bräuch­lich sein, wenn der Schuld­ner den Gläu­biger ver­an­lasst hat, auf Schritte zur Durch­set­zung der Forderung zu verzicht­en:

Die Einrede der Ver­jährung stellt nach der Recht­sprechung einen Rechtsmiss­brauch im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB dar und ist nicht zu schützen, wenn sie gegen erweck­tes Ver­trauen ver­stösst, der Schuld­ner ins­beson­dere ein Ver­hal­ten gezeigt hat, das den Gläu­biger bewogen hat, während der Ver­jährungs­frist rechtliche Schritte zu unter­lassen, und das seine Säum­nis auch bei objek­tiv­er Betra­ch­tungsweise als ver­ständlich erscheinen lässt. Ein arglistiges Ver­hal­ten ist dabei nicht erforder­lich (BGE 131 III 430 E. 2 S. 437 mit Hinweisen).

Diese Voraus­set­zung war vor­liegend nicht erfüllt. Es gab keinen aus­re­ichen­den Grund, erst nach Auf­forderung der Rechtsin­hab­erin Klage zu erheben. Auch das Konz­ern­in­ter­esse war “unter den gegebe­nen Umstän­den” (!) nicht geeignet, das vom BGer für die Rechtsmiss­bräuch­lichkeit der Ver­jährung­seinrede geforderte Ver­trauen zu begrün­den:

Unter den gegebe­nen Umstän­den lässt sich auch nicht sagen, die Beschw­erde­führerin­nen hät­ten auf­grund des Umstands, dass die Parteien konz­ern­mäs­sig ver­bun­den sind, berechtigter­weise darauf ver­trauen dür­fen, die Beschw­erdegeg­ner­in werde keine Ver­jährung­seinrede erheben.