4A_720/2011: Voraussetzungen der Anerkennungsverweigerung iSv LugÜ 34 Ziff. 3 (amtl. Publ.)

Das BGer präzisiert die Voraus­set­zun­gen der Anerken­nungsver­weigerung eines aus­ländis­chen Urteils nach aLugÜ 27 III/LugÜ 34 Ziff. 3 (Unvere­in­barkeit mit ein­er Entschei­dung des Anerken­nungsstaats). Konkret ging es um ein ital­ienis­ches Urteil aus dem Jahr 2008 auf Schaden­er­satz infolge sex­ueller Über­griffe eines Vaters auf seinen Sohn und die Voll­streck­ung dieses Urteils in der Schweiz. In Frage stand war die Unvere­in­barkeit dieses Urteils mit einem Urteil der Jus­tizkom­mis­sion des OGer ZG von 1999, das im Ver­fahren betr­e­f­fend vor­sor­gliche Mass­nah­men im Schei­dungsver­fahren fest­ge­hal­ten hat, es sei äusserst unwahrschein­lich, dass der Beschw­erdegeg­n­er sein Kind miss­braucht habe.

Das BGer bezieht sich auf die Gubis­ch/­Palum­bo-Recht­sprechung (Unvere­in­barkeit eines Leis­tung­surteils aus Ver­trag mit einem Urteil auf Unwirk­samkeit oder Auflö­sung des­sel­ben Ver­trag).  Es gehe let­ztlich um die Unvere­in­barkeit der Rechts­fol­gen der bei­den Urteile. Das BGer präzisiert sodann wie folgt:

Die For­mulierung, die Anwen­dung von Art. 27 Ziff. 3 aLugÜ set­ze keinen Recht­skraftkon­flikt voraus (vgl. WALTHER, a.a.O., N. 81 zu Art. 34 LugÜ), ist, wie die Argu­men­ta­tion der Vorin­stanz zeigt, missver­ständlich. Das vom EuGH genan­nte Beispiel set­zt ein im anerken­nen­den Staat ergan­ge­nes Urteil voraus, das die Unwirk­samkeit oder die Auflö­sung des Ver­trags, aus dem auf Leis­tung geklagt wird, ausspricht (Urteil Gubisch Maschi­nen­fab­rik gegen Palum­bo, Rand­nr. 18). Dieses Urteil ist der Recht­skraft zugänglich, so dass ein Kon­flikt zwis­chen ein­er Vor­frage des zu anerken­nen­den Entschei­des mit der Recht­skraftwirkung eines im anerken­nen­den Staat ergan­genen Urteils beste­ht. Dage­gen genügt zur Anerken­nungsver­sa­gung nicht, dass die Rechts­fol­gen (oder eine Vor­frage­beurteilung) der zu anerken­nen­den Entschei­dung lediglich mit ein­er nicht in Recht­skraft erwach­se­nen Vor­frage­beurteilung des inländis­chen Urteils unvere­in­bar sind, solange nicht auch dessen Rechts­fol­gen von der Unvere­in­barkeit erfasst wer­den (DOMEJ/OBERHAMMER, a.a.O., N. 60 zu Art. 34 LugÜ; vgl. auch SCHLOSSER, EU-Zivil­prozess­recht, 3. Aufl. München 2009, N. 22 f. zu Art. 34–36 EuGVVO). 

Die Unvere­in­barkeit iSv LugÜ 34 Ziff. 3 set­zt daher voraus, dass

die aus­ländis­che Entschei­dung entwed­er densel­ben Stre­it­ge­gen­stand abwe­ichend entschei­de, oder aber auf Prämis­sen auf­baut, die mit der materiellen Recht­skraft (Urteil Gubisch Maschi­nen­fab­rik gegen Palum­bo, Rand­nr. 18) oder der Gestal­tungswirkung eines inländis­chen Urteils (Urteil Hoff­mann gegen Krieg) unvere­in­bar sind (SCHLOSSER, a.a.O., N. 22 zu Art. 34–36 EuGVVO).