5A_109/2012: Befangenheit in politischen Fällen; qualifizierte Betroffenheit

Das BGer äussert sich zur Ausle­gung von ZPO 47 (Aus­stands­gründe) und betont dabei, dass keine Gerichtsper­son los­gelöst von der sozialen Wirk­lichkeit urteilen könne und dass keine Gerichtsper­son jemals rest­los frei von Ein­flüssen wie den gesellschaftlichen Sit­ten, Gewohn­heit­en, Wer­turteilen, der öffentlichen Mei­n­ung oder bes­timmten poli­tis­chen Ereignis­sen u.Ä. sein werde. Ein gewiss­es indi­rek­tes oder abstrak­tes per­sön­lich­es Inter­esse sei hinzunehmen, wo ein Fall eine Vielzahl von Per­so­n­en in gle­ich­er Weise betr­e­ffe, z.B. die Beurteilung ein­er Verkehrsregelung auf Strassen, die auch die Gerichtsper­son gele­gentlich mit­benützt. In solchen Fällen könne und müsse erwartet wer­den, dass die Gerichtsper­son von der eige­nen per­sön­lichen Lage abstrahiert und objek­tiv urteilt. Nur bei Vor­liegen ein­er qual­i­fizierten Betrof­fen­heit durch einen Entscheid dürfe angenom­men wer­den, dass ein per­sön­lich­es Inter­esse der Gerichtsper­son gegeben sei, das sie als befan­gen erscheinen lässt und ihre Mitwirkung bei der Entschei­dfind­ung auss­chliessen muss.

Im konkreten Fall verneinte das BGer die Aus­stand­spflicht des BezGer ZH und alle Zürcher BezGer. Der Fall betraf die BVK Per­son­alvor­sorge des Kan­tons Zürich, die sich in finanziellen Schwierigkeit­en befind­et und bei der alle Mit­glieder der Zürcher Gerichte ver­sichert sind. Das BGer beurteilt dies wie folgt:

Der Entscheid über die Begehren des Beschw­erde­führers gegen die BVK begrün­det für sich allein keinen Anschein der Befan­gen­heit, selb­st wenn der Entscheid dere­inst zugun­sten oder zulas­ten der mitwirk­enden Gerichtsper­so­n­en als Ver­sicherte wirken kön­nte. Tat­sachen aber, die ein erhe­blich­es per­sön­lich­es Inter­esse und eine insoweit qual­i­fizierte Betrof­fen­heit ein­er Gerichtsper­son begrün­den, hat der Beschw­erde­führer nicht glaub­haft gemacht