4A_139/2012: Hinterlegungspriorität im Designrecht; DesG 6 enthält neben DesG 4 lit. b einen zusätzlichen Nichtigkeitsgrund (amtl. Publ.)

Im vor­liegen­den Fall hat­te eine Uhren­her­stel­lerin gegen eine Konkur­rentin gestützt auf ihr Design auf Unter­las­sung geklagt. Diese ver­langte widerk­lageweise die Fest­stel­lung der Nichtigkeit des Designs der Klägerin (DesG 33), u.a. weil die Beklagte über ein älteres Design verfügte.

Das BGer hält zunächst fest, dass die Ein­tra­gung eines Designs grund­sät­zlich neuheitss­chädlich ist:

Lorsqu’un design entre en col­li­sion avec un design déposé antérieure­ment, celui-ci a le plus sou­vent déjà été enreg­istré dans le reg­istre suisse. Le design antérieur est alors con­sid­éré comme divul­gué au pub­lic ([…]); le design postérieur, qui ne rem­plit alors pas les con­di­tions fixées à l’art. 2 LDes au moment de son dépôt, est exclu de la pro­tec­tion (cf. art. 4 let. b LDes).

Im vor­liegen­den Fall war das ältere Design der Beklagten zwar vor dem jün­geren Design der Klägerin hin­ter­legt wor­den. Das jün­gere Design war aber den­noch vor dem älteren einge­tra­gen wor­den. Die Klägerin machte gel­tend, dass ein Design mit sein­er Hin­ter­legung den in der Schweiz beteiligten Verkehrskreisen noch nicht bekan­nt sein kann (DesG 2 II); damit gehöre das betr­e­f­fende Design noch nicht zum “Stand des Designs”. Das jün­gere, aber bere­its einge­tra­gene Design sei daher nach dem als abschliessend zu begreifend­en DesG 4 lit. b nicht vom Schutz aus­geschlossen. In diesem Sinne sei auch DesG 6 zu verstehen.

Das BGer weist diese Auf­fas­sung zurück; man könne DesG 6 nicht durch die ange­blich abschliessende Natur des auf gle­ich­er hier­ar­chis­ch­er Stufe ste­hen­den DesG 4 lit. b ein­schränken. Im Gegen­teil ver­ankere DesG 6 klar den Grund­satz der Hin­ter­legung­spri­or­ität. Der spätere Hin­ter­leger sei daher vom Design­schutz aus­geschlossen, so dass DesG 6 insofern einen Nichtigkeits­grund enthalte:

On ne saurait suiv­re les recourantes lorsqu’elles ten­tent de se pré­val­oir du car­ac­tère exhaus­tif de l’art. 4 LDes pour don­ner à l’art. 6 LDes une portée s’in­scrivant restric­tive­ment dans le cadre de l’art. 4 let. b LDes. Cela reviendrait à ignor­er le con­tenu de l’art. 6 LDes, dis­po­si­tion pour­tant située au même niveau nor­matif que l’art. 4 LDes ([…]).
Selon l’art. 6 LDes, le droit sur un design appar­tient à la per­son­ne qui a effec­tué le dépôt en pre­mier. Le principe de la pri­or­ité du dépôt est ain­si claire­ment exprimé ([…]). Le droit appar­tenant au pre­mier déposant, il en résulte logique­ment que le deux­ième déposant ne peut s’en pré­val­oir. Pour celui-ci, la pro­tec­tion du design est d’em­blée exclue; on peut donc en déduire que l’art. 6 LDes crée un motif de nul­lité ([…]).

Dieser Nichtigkeits­grund beste­ht unab­hängig von DesG 2 und damit der Veröf­fentlichung des zuerst hin­ter­legten Designs. DesG 4 lit. b ist nicht abschliessender Natur, auch wenn im geset­zge­berischen Prozess ver­säumt wurde, diese Bes­tim­mung um eine Ver­weisung auf DesG 6 zu ergänzen.

DesG 6 wiederum legt ein­deutig die Hin­ter­legung­spri­or­ität fest. Das gilt generell, sowohl beim Auf­schub der Veröf­fentlichung nach DesG 26 als auch ohne eine solche.

Die Sper­rwirkung des zuerst hin­ter­legten Designs bet­rifft im Übri­gen nicht nur iden­tis­che, son­dern auch ähn­liche Designs (d.h. alle Designs im Schutzbere­ich des zuerst hin­ter­legten Desings). Die Lehre sei sich hier einig, mit Aus­nahme der isolierten Ansicht von HEINRICH.