4A_64/2012: Haftung einer Steuerberaterin; Fehleinschätzung; keine Zurechnung des Fachwissens eines weiteren Beauftragten

Das HGer ZH hat­te eine Steuer­ber­atungs­ge­sellschaft zu Schaden­er­satz verurteilt. Diese hat­te in der Beratung die Auf­fas­sung vertreten, trotz dem Urteil 2A.532/1998 kön­nten Ver­luste aus den acht Vor­jahren ver­rech­net wer­den. In diesem Urteil hat­te das BGer jedoch eine über­gangsrechtliche Fest­stel­lung getrof­fen, die dazu führte, dass der Reingewinn ab 1995
nur noch mit Ver­lus­ten aus den sieben vor­ange­gan­genen Geschäftsjahren
ver­rech­net wer­den kon­nte. Dass es sich dabei um eine Fehlein­schätzung der Steuer­ber­a­terin han­delte, hat­te diese im Nach­hinein anerkannt.

In der Folge fie­len bei ihrer Kli­entin und späteren Klägerin Steuern und Verzugszin­sen in der Höhe von rund CHF 580’000 an. Das Han­dels­gericht war zum Schluss gekom­men, es beste­he eine natür­liche Ver­mu­tung, dass die Beschw­erdegeg­ner­in en con­nais­sance de cause mit hoher Wahrschein­lichkeit auf die Über­tra­gung verzichtet hätte.

Das BGer schützt dieses Urteil und die Fest­stel­lung ein­er Sorgfalt­spflichtver­let­zung. Das HGer hat­te hierzu festgehalten:

Die vor­liegend zen­trale Frage, wie die vor 1995 erwirtschafteten Ver­lustvorträge nach Ein­führung des DBG per 1. Jan­u­ar 1995 steuer­rechtlich zu behan­deln seien, sei in der Lehre und von den Steuer­be­hör­den unter­schiedlich beant­wortet wor­den. Die Beschw­erde­führerin habe sich zwar der opti­mistis­cheren Berech­nungsmeth­ode […] anschliessen kön­nen. Die Sorgfalt­spflicht hätte es aber ver­langt, dass sie die Beschw­erdegeg­ner­in auf die […] die sich daraus ergeben­den Risiken hingewiesen hätte. […] Zudem habe sie aus­ge­führt, das Urteil des Bun­des­gerichts 2A.532/1998 vom 17. Mai 2001 habe auf die Beurteilung der vorhan­de­nen steuer­lich nutzbaren Ver­lustvorträge keinen Ein­fluss […]. Die Beschw­erde­führerin anerkenne, dass sie dieses Urteil falsch inter­pretiert habe. Auch damit habe es die Beschw­erde­führerin an der objek­tiv gebote­nen Sorgfalt man­geln lassen, welche von ein­er Steuer­ber­a­terin gemäss beruf­sspez­i­fis­chem Durch­schnittsver­hal­ten anzuwen­den wäre.

Daran änderte sich auch dadurch nichts, dass die Kli­entin neben der Steuer­ber­a­terin eine Anwalt­skan­zlei beauf­tragt hat­te. Die Steuer­ber­a­terin hat­te dies­bezüglich einge­wandt, die Kli­entin müsse sich das Wis­sen der Kan­zlei anrech­nen lassen:

Das Han­dels­gericht hat aus­ge­führt, eine die Beklagte ent­las­tende Mitver­ant­wor­tung der Anwalt­skan­zlei S. […] sei zu verneinen. Vergebe ein Auf­tragge­ber densel­ben Auf­trag an zwei Beauf­tragte, so könne sich der eine nicht dadurch von sein­er Sorgfalt­spflicht befreien, dass er auf die Sorgfalt­spflicht des anderen ver­weise. Eine Zurech­nung des Fach­wis­sens eines weit­eren Beauf­tragten des Auf­tragge­bers komme nur dann als Ent­las­tung für den ver­tragsver­let­zen­den Beauf­tragten in Frage, wenn erster­er gegenüber dem Ver­tragsver­let­zer als Hil­f­sper­son des Auf­tragge­bers in Erschei­n­ung getreten sei. Der Auf­tragge­ber müsse ausser­dem diesem Beauf­tragten eine Vor­rang­stel­lung gegenüber dem ver­tragsver­let­zen­den Beauf­tragten eingeräumt haben, ins­beson­dere indem er ihn mit der Erteilung von Anweisun­gen an den anderen betraue. Diese Voraus­set­zun­gen seien vor­liegend nicht erfüllt.