Nach BGFA 12 lit. d dürfen Anwälte werben, solange ihre Werbuhng objektiv ist und einem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entspricht. Im vorliegenden Urteil hatte das BGer zu prüfen, ob diese Bestimmung verletzt ist, wenn eine Anwaltskanzlei am Bürogebäude eine Beschriftung “X. Advokatur & Notariat” mit einer Länge von 9.4 m und einer Höhe von 70 cm anbringt. Das betreffende Bürogebäude liegt an einer stark befahrenen
Verkehrskreuzung und trägt bereits mehrere
Fassadenanschriften.
Die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Zug sah dadurch BGFA 12 lit. d verletzt. Das BGer schützt diese Auffassung.
Das BGer konkretisiert BGFA 12 lit. d im sehr ausführlichen Entscheid wie folgt:
6.2.2 Anwaltswerbung soll damit primär Werbung informativer Art sein und — über die lauterkeitsrechtlichen Grenzen hinaus — auf reisserische, aufdringliche und marktschreierische Methoden verzichten [diverse Hinweise auf Rsp. und Literatur]. Dagegen entspricht zurückhaltende und sachlich zutreffende Werbung dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und ist zulässig (BGE 125 I 417 E. 5b S. 426; 123 I 12 E. 2c/aa S. 17). Die gebotene Zurückhaltung bezieht sich sowohl auf den Inhalt wie auf die Form(en) und Methoden der Anwaltswerbung […]. So sind etwa bei Aussenwerbung (Kanzleischilder, Hinweistafeln usw.) nicht nur der Inhalt, sondern auch Gestaltung, Grösse und Anbringung zu prüfen […].
Mit Bezug auf die schwierige Anwendung dieser Regeln auf konkrete Fälle hält das BGer fest, dass — wie immer in solchen Fällen — eine Interessenabwägung erfolgen müsse, wobei die rechtsanwendenden Behörden Ermessensspielraum geniessen:
6.3.1 Im Einzelfall bleibt die Grenze zwischen zulässiger und unzulässiger Werbung allerdings schwierig zu ziehen. […] sind pauschalisierende Lösungen mit Blick auf die Vielgestaltigkeit möglicher Werbemassnahmen nicht unproblematisch, weshalb die gesetzlich getroffene Lösung zumindest nachvollziehbar ist […]. Zum anderen sind die berufsrechtlichen Einschränkungen zulässiger Anwaltswerbung gesetzlicher Ausdruck davon, dass bei der Werbung hochrangige Rechtsgüter — die Wirtschaftsfreiheit der Anwälte wie das Vertrauen in die Anwaltschaft — gegeneinander abzuwägen und im konkreten Fall einer sachgerechten Lösung zuzuführen sind.
6.3.2 […] Entsprechend ist den kantonalen Behörden bei der Auslegung und Anwendung der in Art. 12 lit. d BGFA enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffen ein Beurteilungsspielraum einzuräumen […].
Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt im konkreten Fall, dass die beabsichtigte Werbung wegen ihres Streuverlustes weder einem Informationsbedürfnis entspreche noch zurückhaltend sei:
7.1 Die Aufsichtskommission hat das “Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit” verneint, da sich die Firmenbeschriftung an eine unbestimmte und uneinheitliche Gruppe von Werbeadressaten richte und bei einer solch willkürlichen Streuwirkung des Werbeeffekts nicht mehr gesagt werden könne, die Werbung richte sich an eine einheitliche oder zumindest eingeschränkte Gruppe von Werbeadressaten. Für die allermeisten Verkehrsteilnehmer decke die geplante Firmenbeschilderung kein Informationsbedürfnis ab, weshalb sie gegen Art. 12 lit. d BGFA verstosse.
Die Vorinstanz ist dem im Ergebnis gefolgt, verneinte jedoch neben dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit auch die Objektivität der geplanten Fassadenanschrift: Diese wahre die erforderliche “formale Sachlichkeit” nicht, da sie in gestalterischer Hinsicht (Grösse, Beleuchtung, Anbringung an stark befahrenen Verkehrskreuzung) intensive Reize einsetze und damit nicht zurückhaltend sei.
Aus Sicht des BGer hat die Vorinstanz damit ihren Ermessensspielraum nicht überschritten. Die konkrete Gestaltung der Werbung sei beachtlich und im vorliegenden Fall “formal unsachlich”:
7.2 Die geplante Anschrift beschränkt sich zwar inhaltlich auf objektive Tatsachen, wie sie auch auf dem Briefpapier verwendet werden (Kanzleiname mit Zusatz “Advokatur & Notariat”). Weitere, wertende Zusatzinformationen sind nicht vorhanden. Allerdings haben die Vorinstanzen ihre Prüfung zu Recht nicht auf die inhaltliche Sachlichkeit beschränkt, sondern Gestaltung, Grösse und Anbringung der Fassadenanschrift einbezogen. Dabei ist es der Beschwerdeführerin grundsätzlich unbenommen, Aussenwerbung zu machen und ein Kanzleischild, eine Hinweistafel oder eben eine Fassadenanschrift anzubringen, die eine gewisse Breitenwirkung entfaltet und an einer Stelle platziert wird, die für das Publikum gut einsehbar ist. Unzulässig ist mit Blick auf Art. 12 lit. d BGFA nicht die Werbewirkung der Fassadenanschrift, sondern deren Ausgestaltung im vorliegenden Fall: Wie die Vorinstanz nachvollziehbar ausführt, lassen Gestaltung (helle Beleuchtung), Grösse (Gesamtlänge von ca. 9.4 m und Höhe von 70 cm bzw. 32 cm) und Anbringung (stark befahrene Verkehrskreuzung) bei einer Gesamtbetrachtung die erforderliche Zurückhaltung in gestalterischer Hinsicht bzw. die “formale Sachlichkeit” vermissen. Nicht entscheidend kann sein, dass sich am Gebäude bereits Aussenwerbungen anderer Gewerbebetriebe befinden. Art. 12 lit. d BGFA würde weitgehend leerlaufen, wenn man die Zulässigkeit von Anwaltswerbung an der Werbung von Nicht-Anwälten ausrichten würde.