2C_714/2012: Fassadenbeschriftung: unzulässige Aussenwerbung einer Anwaltskanzlei (amtl. Publ.)

Nach BGFA 12 lit. d dür­fen Anwälte wer­ben, solange ihre Wer­buh­ng objek­tiv ist und einem Infor­ma­tions­bedürf­nis der Öffentlichkeit entspricht. Im vor­liegen­den Urteil hat­te das BGer zu prüfen, ob diese Bes­tim­mung ver­let­zt ist, wenn eine Anwalt­skan­zlei am Büro­ge­bäude eine Beschrif­tung “X. Advokatur & Notari­at” mit ein­er Länge von 9.4 m und ein­er Höhe von 70 cm anbringt. Das betr­e­f­fende Büro­ge­bäude liegt an ein­er stark befahrenen
Verkehrskreuzung und trägt bere­its mehrere
Fassadenanschriften.

Die Auf­sicht­skom­mis­sion über die Recht­san­wälte des Kan­tons Zug sah dadurch BGFA 12 lit. d ver­let­zt. Das BGer schützt diese Auf­fas­sung.

Das BGer konkretisiert BGFA 12 lit. d im sehr aus­führlichen Entscheid wie folgt:

6.2.2 Anwaltswer­bung soll damit primär Wer­bung infor­ma­tiv­er Art sein und — über die lauterkeit­srechtlichen Gren­zen hin­aus — auf reis­serische, auf­dringliche und mark­tschreierische Meth­o­d­en verzicht­en [diverse Hin­weise auf Rsp. und Lit­er­atur]. Dage­gen entspricht zurück­hal­tende und sach­lich zutr­e­f­fende Wer­bung dem Infor­ma­tions­bedürf­nis der Öffentlichkeit und ist zuläs­sig (BGE 125 I 417 E. 5b S. 426; 123 I 12 E. 2c/aa S. 17). Die gebotene Zurück­hal­tung bezieht sich sowohl auf den Inhalt wie auf die Form(en) und Meth­o­d­en der Anwaltswer­bung […]. So sind etwa bei Aussen­wer­bung (Kan­zleis­childer, Hin­weistafeln usw.) nicht nur der Inhalt, son­dern auch Gestal­tung, Grösse und Anbringung zu prüfen […].

Mit Bezug auf die schwierige Anwen­dung dieser Regeln auf konkrete Fälle hält das BGer fest, dass — wie immer in solchen Fällen — eine Inter­essen­ab­wä­gung erfol­gen müsse, wobei die recht­san­wen­den­den Behör­den Ermessensspiel­raum geniessen:

6.3.1 Im Einzelfall bleibt die Gren­ze zwis­chen zuläs­siger und unzuläs­siger Wer­bung allerd­ings schwierig zu ziehen. […] sind pauschal­isierende Lösun­gen mit Blick auf die Vielgestaltigkeit möglich­er Werbe­mass­nah­men nicht unprob­lema­tisch, weshalb die geset­zlich getrof­fene Lösung zumin­d­est nachvol­lziehbar ist […]. Zum anderen sind die beruf­s­rechtlichen Ein­schränkun­gen zuläs­siger Anwaltswer­bung geset­zlich­er Aus­druck davon, dass bei der Wer­bung hochrangige Rechts­güter — die Wirtschafts­frei­heit der Anwälte wie das Ver­trauen in die Anwaltschaft — gegeneinan­der abzuwä­gen und im konkreten Fall ein­er sachgerecht­en Lösung zuzuführen sind.
6.3.2 […] Entsprechend ist den kan­tonalen Behör­den bei der Ausle­gung und Anwen­dung der in Art. 12 lit. d BGFA enthal­te­nen unbes­timmten Rechts­be­grif­f­en ein Beurteilungsspiel­raum einzuräumen […]. 

Die Anwen­dung dieser Grund­sätze ergibt im konkreten Fall, dass die beab­sichtigte Wer­bung wegen ihres Streuver­lustes wed­er einem Infor­ma­tions­bedürf­nis entspreche noch zurück­hal­tend sei:

7.1 Die Auf­sicht­skom­mis­sion hat das “Infor­ma­tions­bedürf­nis der Öffentlichkeit” verneint, da sich die Fir­menbeschrif­tung an eine unbes­timmte und unein­heitliche Gruppe von Wer­bead­res­sat­en richte und bei ein­er solch willkür­lichen Streuwirkung des Wer­be­ef­fek­ts nicht mehr gesagt wer­den könne, die Wer­bung richte sich an eine ein­heitliche oder zumin­d­est eingeschränk­te Gruppe von Wer­bead­res­sat­en. Für die aller­meis­ten Verkehrsteil­nehmer decke die geplante Fir­menbeschilderung kein Infor­ma­tions­bedürf­nis ab, weshalb sie gegen Art. 12 lit. d BGFA ver­stosse.
Die Vorin­stanz ist dem im Ergeb­nis gefol­gt, verneinte jedoch neben dem Infor­ma­tions­bedürf­nis der Öffentlichkeit auch die Objek­tiv­ität der geplanten Fas­sade­nan­schrift: Diese wahre die erforder­liche “for­male Sach­lichkeit” nicht, da sie in gestal­ter­isch­er Hin­sicht (Grösse, Beleuch­tung, Anbringung an stark befahre­nen Verkehrskreuzung) inten­sive Reize ein­set­ze und damit nicht zurück­hal­tend sei.

Aus Sicht des BGer hat die Vorin­stanz damit ihren Ermessensspiel­raum nicht über­schrit­ten. Die konkrete Gestal­tung der Wer­bung sei beachtlich und im vor­liegen­den Fall “for­mal unsachlich”:

 7.2 Die geplante Anschrift beschränkt sich zwar inhaltlich auf objek­tive Tat­sachen, wie sie auch auf dem Brief­pa­pi­er ver­wen­det wer­den (Kan­zleiname mit Zusatz “Advokatur & Notari­at”). Weit­ere, wer­tende Zusatz­in­for­ma­tio­nen sind nicht vorhan­den. Allerd­ings haben die Vorin­stanzen ihre Prü­fung zu Recht nicht auf die inhaltliche Sach­lichkeit beschränkt, son­dern Gestal­tung, Grösse und Anbringung der Fas­sade­nan­schrift ein­be­zo­gen. Dabei ist es der Beschw­erde­führerin grund­sät­zlich unbenom­men, Aussen­wer­bung zu machen und ein Kan­zleis­child, eine Hin­weistafel oder eben eine Fas­sade­nan­schrift anzubrin­gen, die eine gewisse Bre­it­en­wirkung ent­fal­tet und an ein­er Stelle platziert wird, die für das Pub­likum gut ein­se­hbar ist. Unzuläs­sig ist mit Blick auf Art. 12 lit. d BGFA nicht die Wer­be­wirkung der Fas­sade­nan­schrift, son­dern deren Aus­gestal­tung im vor­liegen­den Fall: Wie die Vorin­stanz nachvol­lziehbar aus­führt, lassen Gestal­tung (helle Beleuch­tung), Grösse (Gesamtlänge von ca. 9.4 m und Höhe von 70 cm bzw. 32 cm) und Anbringung (stark befahrene Verkehrskreuzung) bei ein­er Gesamt­be­tra­ch­tung die erforder­liche Zurück­hal­tung in gestal­ter­isch­er Hin­sicht bzw. die “for­male Sach­lichkeit” ver­mis­sen. Nicht entschei­dend kann sein, dass sich am Gebäude bere­its Aussen­wer­bun­gen ander­er Gewer­be­be­triebe befind­en. Art. 12 lit. d BGFA würde weit­ge­hend leer­laufen, wenn man die Zuläs­sigkeit von Anwaltswer­bung an der Wer­bung von Nicht-Anwäl­ten aus­richt­en würde.