4A_443/2012: Schadenhaftung des Bundes für eine Patentverletzung beim LSVA-Betrieb; Unzuständigkeit des BPatGer (amtl. Publ.)

In ein­er paten­trechtlichen Auseinan­der­set­zung zwis­chen der Inhab­erin eines Europäis­chen Patents (mit Benen­nungs­land u.a. Schweiz) für ein Maut­sys­tem und der Schweiz­erischen Eidgenossen­schaft aus dem Betrieb eines Bestandteils der LSVA-Anlage hat­te das HGer ZH den Stre­it an das BPat­Ger über­wiesen. Das BPat­Ger bejahte seine Zuständigkeit. Gegen diesen Zwis­ch­enentscheid gelangte die Eidgenossen­schaft an das BGer. Das BGer heisst die Beschw­erde gut; das BPat­Ger habe sich zu Unrecht für zuständig erklärt.

Entschei­dend war die Frage, ob eine allfäl­lige Haf­tung der Eidgenossen­schaft über­haupt auf das PatG gestützt wer­den kann (nur für auf das PatG gestützte nega­torische oder repara­torische Kla­gen ist das BPat­Ger zuständig, wie das BGer in Anlehnung an die Botschaft zum PatGG fes­thält) oder vielmehr aus dem VG fol­gen müsste: 

2.2.3 Die Beschw­erdegeg­ner­in richtet den von ihr eingeklagten Schadenersatz‑, Bere­icherungs- bzw. Gewinnher­aus­gabeanspruch über Fr. 62’466’022.85, den sie auf Bun­de­spri­va­trecht (Art. 73 Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 41 ff., Art. 62 ff. bzw. Art. 423 OR) stützt, nicht gegen einen Beamten oder Angestell­ten der Bun­des, son­dern unmit­tel­bar gegen die Eidgenossen­schaft. Eine solche pri­va­trechtliche Haf­tung des Bun­des kommt — abge­se­hen von den erwäh­n­ten Aus­nah­men bes­timmter Kausal­haf­tun­gen, die im konkreten Fall nicht zur Diskus­sion ste­hen - nur im Rah­men ein­er gewerblichen Tätigkeit in Betra­cht.

Das BPat­Ger hat für diese Frage auf die Unter­schei­dung zwis­chen einem hoheitlichen Rechtsverhältnis
gegenüber den Abgabepflichti­gen und einem nichthoheitlichen
Rechtsver­hält­nis der Beschw­erde­führerin abgestellt. Das ist aber, laut BGer, nicht zielführend, weil ein vorbeste­hen­des Rechtsver­hält­nis ger­ade keine Voraus­set­zung ein­er Haf­tung des Gemein­we­sens ist. Rel­e­vant ist vielmehr die Natur der haf­tungs­be­grün­den­den Tätigkeit:

[…] Das staatliche Ver­ant­wortlichkeit­srecht bezweckt ger­ade eine all­ge­meine Haf­tung­sor­d­nung auch für diejeni­gen Fälle, in denen in Ausübung ein­er amtlichen Tätigkeit wider­rechtlich Schaden verur­sacht wird, ohne dass ein vorbeste­hen­des Rechtsver­hält­nis zur geschädigten Per­son beste­hen würde. Ein solch­es ist nicht Voraus­set­zung der Staat­shaf­tung (vgl. Art. 3 Abs. 1 VG). Ent­ge­gen dem ange­focht­e­nen Entscheid ist daher die Unter­schei­dung zwis­chen einem hoheitlichen Rechtsver­hält­nis gegenüber den Abgabepflichti­gen und einem nichtho­heitlichen Rechtsver­hält­nis der Beschw­erde­führerin gegenüber der Beschw­erdegeg­ner­in für die zu beurteilende Frage nicht zielführend. Auss­chlaggebend ist im Hin­blick auf die mass­gebende Ver­ant­wortlichkeit­sor­d­nung vielmehr die Natur der ange­blich haf­tungs­be­grün­den­den Tätigkeit des Gemein­we­sens.

Hier war daher entschei­dend, dass beim Betrieb der tech­nis­chen Infra­struk­tur des Staats keine gewerbliche Tätigkeit vorliegt:

2.2.4 […] Die strit­tige Ver­wen­dung der tech­nis­chen Infra­struk­tur durch die Beschw­erde­führerin zur Erfas­sung der erforder­lichen Dat­en im Hin­blick auf die zu erhebende leis­tungsab­hängige Schw­erverkehrsab­gabe erfol­gt unbe­stre­it­bar im Rah­men der Wahrnehmung ein­er öffentlichen Auf­gabe. Eine gewerbliche Tätigkeit, die grund­sät­zlich Pri­vat­en wie Nicht­pri­vat­en offen­ste­ht und bei welch­er etwa die Erzielung von Gewinn eine Rolle spielt, liegt beim fraglichen Betrieb der tech­nis­chen Infra­struk­tur nicht vor […]. Die Beschw­erde­führerin tritt beim Betrieb ihrer Erhe­bungsin­fra­struk­tur nicht als Sub­jekt des Zivil­rechts auf (vgl. Art. 11 Abs. 1 VG). Eben­so wenig liegt ein Fall eines pri­va­trechtlichen Kausal­haf­tungstatbe­stands vor, dem der Bund aus­nahm­sweise auch bei Ausübung ein­er öffentlichrechtlichen Tätigkeit unter­ste­hen würde (vgl. Art. 3 Abs. 2 VG).

Damit hätte sich das BPat­Ger als unzuständig erk­lären müssen.