2C_13/2013: “Protex”: Gebrauchsuntauglichkeit bei Produkten zur Gefahrenabwehr gleichzeitig Produktfehler; durch lange Verfahrensdauer nachträglich eingetretene Unverhältnismässigkeit (amtl. Publ.)

Im vor­liegen­den Fall hat­te die für die Mark­tkon­trolle von Druck­be­häl­tern zuständi­ge SVTI eine Impor­teurin von Feuer­lösch­ern und Aldi (vgl. dazu auch die NZZ) u.a. zur Wieder­hol­ung eines Rück­rufs für bes­timmte seit 2007 verkaufte “Protex”-Feuerlöscher verpflichtet. Ein erster Rück­ruf war erfol­gt, weil ein Teil der betrof­fe­nen Feuer­lösch­er nicht funk­tions­fähig war; die Wieder­hol­ung war laut SVTI erforder­lich, weil beim ersten Rück­ruf das zur Iden­ti­fika­tion der betrof­fe­nen Geräte erforder­liche Her­stel­lungs­da­tum nicht angegeben wor­den war.

Das BGer bestätigte zunächst, dass sich die Fehler­haftigkeit i.S.v. PrHG 4 I (das Pro­dukt bietet nicht die
Sicher­heit, die man unter Berück­sich­ti­gung aller Umstände zu
erwarten berechtigt ist) nur auf die Sicher­heit des Pro­duk­ts selb­st bezieht, nicht auf seine Gebrauch­stauglichkeit (die eine Frage der Sachgewährleis­tung ist). Bei Pro­duk­ten, die ger­ade zur Abwehr von Schäden
bes­timmt sind (wie bei Feuer­lösch­ern), hän­gen bei­des, Sicher­heit und Gebrauch­stauglichkeit, aber eng zusam­men. Bei einem Feuer­lösch­er stelle ein Funk­tion­s­man­gel deshalb stets auch einen Pro­duk­t­fehler i.S.v. PrGH 4 dar.

Zudem stellen das PrSG und das PrHG grund­sät­zlich auf das gle­iche Sicher­heit­sniveau ab. Die Über­legun­gen des BGer zum PrHG seien daher ana­log auch auf das Pro­duk­t­sicher­heit­srecht anwend­bar.

Die Beschw­er­den der Impor­teurin und von Aldi wurde aber aus einem anderen Grund gut­ge­heis­sen: Der zweite Rück­ruf war inzwis­chen unver­hält­nis­mäs­sig. Da die Feuer­lösch­er alle drei Jahre zur Revi­sion gebracht werden
müssten, waren inzwis­chen näm­lich ohne­hin alle betrof­fe­nen Geräte funk­tion­süber­prüft worden.Dies kon­nte vor BGer einge­bracht wer­den, obwohl der blosse Zeitablauf kein Novum i.S.v. BGG 99 I ist: Im Rah­men der Ver­hält­nis­mäs­sigkeit­sprü­fung ist auch eine erst nach Erlass der fraglichen Mass­nahme einge­tretene Unver­hält­nis­mäs­sigkeit zu berück­sichti­gen, z.B. auf­grund des Zeitablaufs infolge ein­er über­mäs­si­gen Ver­fahrens­dauer. Dies war im konkreten Fall zu beja­hen. Der Beschw­erde ans BVGer war auf­schiebende Wirkung erteilt wor­den. Der Rück­ruf musste daher während der Dauer des Ver­fahrens vor BVGer nicht erfol­gen. Da aber zur Zeit des Urteils des BVGer seit der Her­stel­lung der Geräte bere­its 4–5 Jahre ver­gan­gen ware, “machte” ein Rück­ruf laut BGer “keinen Sinn mehr”:

Gericht­sno­torisch bedür­fen Feuer­lösch­er ein­er peri­odis­chen Revi­sion, damit ihre Funk­tion­stauglichkeit gewährleis­tet bleibt. Sicher­heits­be­wusste Besitzer wer­den ihre in den Jahren 2007 und 2008 gekauften Feuer­lösch­er inzwis­chen bere­its zur Revi­sion gebracht haben; dabei wäre ein Funk­tion­s­man­gel ent­deckt wor­den. Besitzer, die nicht der­art sicher­heits­be­wusst sind, dass sie ihre Feuer­lösch­er peri­odisch rev­i­dieren lassen, wer­den mit hoher Wahrschein­lichkeit auch auf eine erneute War­nung nicht reagieren. Zudem kön­nen sie ohne­hin nicht den Anspruch erheben, weit­er­hin einen funk­tion­stauglichen Feuer­lösch­er zu besitzen. 

Damit war die Mass­nahme inzwis­chen unver­hält­nis­mäs­sig, wobei das BGer andeutet, dass eine nachträglich durch Zeitablauf einge­tretene Unver­hält­nis­mäs­sigkeit nicht zu berück­sichti­gen wäre, wenn sie vom Adres­sat­en der Mass­nahme in rechtsmiss­bräuch­lich­er Weise selb­st her­beige­führt wor­den wäre:

 Grund­sät­zlich soll ein an sich recht­mäs­siger Ver­wal­tungsakt nicht infolge bloss­er Ver­fahrens­dauer vor ein­er Rechtsmit­telin­stanz unrecht­mäs­sig wer­den, würde dies doch Anreize schaf­fen, durch Erhe­bung auch unbe­grün­de­ter Rechtsmit­tel an sich berechtigte Anord­nun­gen zu unter­laufen. Vor­liegend kann aber der Beschw­erde­führerin nicht vorge­wor­fen wer­den, bloss zwecks Zeit­gewinn ein Rechtsmit­tel erhoben zu haben. Sodann war die Dauer des Ver­fahrens vor der Vorin­stanz aussergewöhn­lich lange. Unter diesen Umstän­den ist im vor­liegen­den Fall die ange­ord­nete Pro­duk­t­war­nung, auch wenn sie im Jahre 2009 wohl noch ver­hält­nis­mäs­sig gewe­sen wäre, inzwis­chen unver­hält­nis­mäs­sig geworden.