6B_151/2013: Entschädigung der amtlichen Verteidigung (amtl. Publ.)

Das BGer bestätigt in einem aktuellen Urteil seine jün­gere Recht­sprechung zur Entschädi­gung der amtlichen Vertei­di­gung (siehe bere­its BGE 132 I 201; 137 III 185) und führt sie fort.

Nach Art. 135 Abs. 1 StPO wer­den Recht­san­wälte für amtliche Man­date nach dem Anwalt­starif des Bun­des oder desjeni­gen Kan­tons entschädigt, in dem das Strafver­fahren geführt wurde. Der Geset­zge­ber verzichtete in der StPO – wie in der ZPO – auf eine Durch­set­zung der vollen Entschädi­gung. Das BGer hält fest, dass amtliche Vertei­di­ger von Ver­fas­sung wegen angemessen zu hon­ori­eren sind, obschon eine Kürzung des Hon­o­rars im Ver­gle­ich zum ordentlichen Tarif zuläs­sig bleibt. Die Entschädi­gung muss sich, so das BGer weit­er, in der Grössenord­nung von 180 Franken pro Stunde (zuzüglich MWSt) bewe­gen (E. 2.2.1).

Zur Begrün­dung stellt das BGer auf das öffentliche Prozess­rechtsver­hält­nis zwis­chen amtlichen Vertei­di­ger und Staat ab:

2.2.2. […] Die all­ge­meinen Bes­tim­mungen über die Entschädi­gung für die angemessene Ausübung der Ver­fahren­srechte bei Freis­pruch oder Ein­stel­lung des Ver­fahrens (Art. 429 Abs. 1 lit. a und Art. 436 Abs. 2 StPO) betr­e­f­fen die Kosten ein­er Wahlvertei­di­gung und sind auf die amtliche Vertei­di­gung nicht anwend­bar […]. Mit dem Freis­pruch oder der Ver­fahren­se­in­stel­lung wan­delt sich das öffentlich-rechtliche Ver­hält­nis zwis­chen Staat und amtlich­er Vertei­di­gung nicht in ein Pri­va­trechtsver­hält­nis zwis­chen Vertei­di­gung und Man­dan­ten […]. Die amtliche Vertei­di­gung besitzt nicht die Rechte ein­er Ver­fahrenspartei (Art. 104 Abs. 1 StPO […]). Ihre Entschädi­gung richtet sich allein nach Art. 135 StPO. Die Recht­sprechung zu den kan­tonalen Straf­prozess­ge­set­zen ist insoweit überholt […]. 

Eine volle Entschädi­gung lässt sich laut BGer auch nicht mit Art. 135 Abs. 4 lit. b StPO begrün­den, wonach die zu den Ver­fahren­skosten verurteilte beschuldigte Per­son bei wirtschaftlich­er Besser­stel­lung „der Vertei­di­gung die Dif­ferenz zwis­chen der amtlichen Entschädi­gung und dem vollen Hon­o­rar zu erstat­ten“ hat.

2.2.3. […] Wort­laut und Sys­tem­atik des Geset­zes sprechen gegen eine solche Ein­schränkung der generellen Ver­weisung in Art. 135 Abs. 1 StPO durch dessen Abs. 4 lit. b. Mit der föder­al­is­tis­chen Regelung in Abs. 1 von Art. 135 StPO anerken­nt der Bun­des­ge­set­zge­ber aus­drück­lich unter­schiedliche kan­tonale Anwalt­star­ife. Wie die Botschaft vom 21. Dezem­ber 2005 zur Vere­in­heitlichung des Straf­prozess­rechts aus­führt, erhält die amtliche Vertei­di­gung damit je nach Kan­ton das gle­iche Hon­o­rar wie eine frei bestellte oder aber ein reduziertes, amtlich­es Hon­o­rar (BBl 2006 1180). Art. 135 Abs. 4 lit. b StPO will nach der geset­zge­berischen Konzep­tion sich­er­stellen, dass eine beschuldigte Per­son mit amtlich­er Vertei­di­gung finanziell nicht bess­er gestellt wird als eine mit pri­vater Vertei­di­gung […]. Es geht um eine Gle­ich­stel­lung der zu den Ver­fahren­skosten verurteil­ten Per­so­n­en und nicht um eine Gle­ich­stel­lung der amtlichen mit der pri­vat­en Verteidigung.

Let­ztlich wird die amtliche Vertei­di­gung durch diese Regelung bei Verurteilung des Man­dan­ten zu den Ver­fahren­skosten finanziell bess­er gestellt (weil sie die „Dif­ferenz“ ein­fordern kann) als bei Freis­pruch oder Ver­fahren­se­in­stel­lung, wo in der Regel keine Kosten aufer­legt wer­den (und entsprechend die „Dif­ferenz“ nicht zu erstat­ten ist). Das BGer kommt zu dem Schluss, dass dieses Ergeb­nis „als geset­zliche Kon­se­quenz hin­genom­men wer­den“ müsse (E. 2.2.3).