5A_376/2013: Ehrverletzung durch den “Blick” zulasten von Michael von der Heide durch Fotomontage; keine Satire

Den Euro­vi­sion Song Con­test 2010 hat­te Lena Mey­er-Lan­drut für Deutsch­land gewon­nen. Für die Schweiz war Michael von der Hei­de mit wenig Erfolg ange­treten. In der Folge hat­te der “Blick” eine Fotomon­tage veröf­fentlicht, die den Kopf von von der Hei­de auf dem Kör­p­er von Mey­er-Lan­drut zeigte, mit der Schlagzeile: «Wir wollen auch eine Lena! … aber keine mehr von der Hei­de». Daraufhin hat­te von der Hei­de erfol­gre­ich gegen Ringi­er wegen Per­sön­lichkeitsver­let­zung geklagt. Das BGer schützt nun dieses Urteil.

Zunächst bestätigt das BGer zum Ver­hält­nis zwis­chen ZGB 28 und UWG 3 lit. a eine dif­feren­zierte Umwegth­ese, nach der eine kumu­la­tive Anwen­dung von ZGB 28 ff. und des UWG im Grund­satz zuläs­sig ist:

[…] Insofern sind die Art. 28 ff. ZGB sub­sidiär­er Natur. Dabei hat das Bun­des­gericht immer wieder betont, dass der all­ge­meine Per­sön­lichkeitss­chutz nicht dazu dienen kann, einen in einem Spezialge­setz nicht gewährten Leis­tungss­chutz zu ermöglichen. Daraus kann aber nicht der Schluss gezo­gen wer­den, die Art. 28 ff. ZGB seien nur anwend­bar, wenn kein Spezialge­setz zur Anwen­dung gelange. […] Entschei­dend ist nur, dass mit dem all­ge­meinen Per­sön­lichkeit­srecht nicht ein Leis­tungss­chutz begrün­det wer­den kann, den der Geset­zge­ber in einem spezielleren Erlass aus­drück­lich oder stillschweigend aus­geschlossen hat. Der Umstand, dass eine konkrete Per­sön­lichkeitsver­let­zung auch wet­tbe­werb­srechtlich rel­e­vant sein kann, hin­dert noch nicht, dass auf­grund von Art. 28a ZGB geklagt wird […]. Der all­ge­meine Per­sön­lichkeitss­chutz und die Son­der­regelung im UWG schliessen sich insoweit gegen­seit­ig nicht aus. […] 

Sodann bejaht das BGer eine Ehrver­let­zung ins­beson­dere auf­grund der Homo­sex­u­al­ität des Sängers:

Ent­ge­gen […] kann “eine sexuell
her­ab­set­zende Kon­no­ta­tion” […] der Fotomon­tage mit den
kan­tonalen Gericht­en nicht verneint wer­den. Aus der Sicht des Durch­schnitts­be­tra­chters wird nicht bloss irgen­dein Män­nerkopf auf irgen­deinen Frauenkör­p­er, son­dern der Kopf des Klägers als beken­nen­den Homo­sex­uellen pass­ge­nau auf den Kör­p­er der als fesch und attrak­tiv abge­bilde­ten [Mey­er-Lan­drut] geset­zt. Der Kläger wird damit in der Wahrnehmung des Durch­schnitts­be­tra­chters als das abge­bildet, was salopp und auch abw­er­tend unter dem Begriff “Tunte” ver­standen wer­den kann […]. Die Fotomon­tage mit der dazuge­höri­gen Schlagzeile verletzt
den Kläger aus den dargelegten Grün­den in sein­er Ehre […]. Es liegt […] kein leichter Fall
vor, wie er im gesellschaftlichen Umgang laufend und oft ohne böse
Absicht vorkommt. Die Ehren­rührigkeit der Darstel­lung erre­icht die
geforderte Inten­sität der Ver­let­zung in der Persönlichkeit […]. 

Sodann verneint das BGer klar eine Recht­fer­ti­gung durch ein Inter­esse an Satire
oder ein all­ge­meines Informationsbedürfnis
der Öffentlichkeit:

[…] Ins­ge­samt bezweckt die Fotomon­tage mit der dazuge­höri­gen Schlagzeile lediglich ein Ver­lachen, Verspot­ten und Ver­höh­nen des Klägers und seines Mis­ser­fol­gs. Sie ist blosse Schmähkri­tik und fällt nicht mehr in den Bere­ich des Humoris­tis­chen, geschweige denn unter den Begriff der Satire […].  Es stellt sich die weit­ere Frage nach einem öffentlichen Inter­esse an der Presseäusserung. […] Die Kri­tik überzieht, ist unnötig ver­let­zend und sprengt den Rah­men des Halt­baren selb­st gegenüber ein­er Per­son wie dem Kläger, der als Sänger regelmäs­sig in der Öffentlichkeit ste­ht und auftritt. An dieser Art von Presseäusserun­gen beste­ht kein Infor­ma­tions­bedürf­nis der Öffentlichkeit […]. 

Eine gewisse Bedeu­tung für weit­ere Kla­gen gegen den Blick und ver­wandte Blät­ter kön­nte die weit­ere Aus­sage des BGer haben, dass der Blick

[…] wed­er Satirezeitschrift noch Witzblatt sein [will]. Ihr Durch­schnittsleser erwartet auf der Front­seite in der Regel eher nichts Humoristisches.