4A_433/2013: Bedeutung des Pannenstreifens für das Verschulden bei der Motorfahrzeughalterhaftung, Berücksichtigung eines Sparbetrages bei Versorungsschäden

Auf der Auto­bahn A9 ereignete sich ein Unfall, bei dem ein Che­farzt ums Leben kam. Das Fahrzeug des Che­farztes kam auf­grund ein­er Panne kurz nach ein­er Tun­nelaus­fahrt auf dem Pan­nen­streifen zum Still­stand. Der Che­farzt schal­tete die Warn­blin­klichter an, stieg aus und öffnete die Motorhaube, als sich ein schw­er­er Last­wa­gen auf der recht­en Fahrspur in ein­er langge­zo­ge­nen Recht­skurve mit ein­er Geschwindigkeit von mehr als 80 km/h näherte. Der Last­wa­gen fuhr teil­weise auf dem Pan­nen­streifen, da er ger­ade von einem Per­so­n­en­fahrzeug auf der linken Fahrspur über­holt wurde. Aufgeschreckt durch den her­an­na­hen­den Last­wa­gen und da sich neben dem Pan­nen­streifen eine Mauer am Strassen­rand befand, begab sich der Che­farzt auf die Fahrbahn, wo er vom Last­wa­gen tödlich erfasst wurde.

Das Bun­des­gericht hat­te unter anderem zu entschei­den, ob den Lenker des Last­wa­gens ein Ver­schulden traf und deshalb keine Ent­las­tung von der Motor­fahrzeughal­ter­haf­tung möglich war (Art. 59 Abs. 1 SVG). Zu dieser Frage hielt das Bun­des­gericht fest, dass Pan­nen­streifen und sig­nal­isierte Abstellplätze für Pan­nen­fahrzeuge nur für Nothalte benützt wer­den dür­fen und deshalb in der Regel keine Fahrstreifen sind (Art. 36 Abs. 3 VRV). Da sich der Last­wa­gen­fahrer nicht in ein­er Not­si­t­u­a­tion befand und teil­weise mit dem Last­wa­gen auf dem Pan­nen­streifen fuhr, traf ihn ein Ver­schulden. Der Fahrzeughal­ter musste sich das Ver­schulden des Lenkers anrech­nen lassen (Art. 58 Abs. 4 SVG) und kon­nte sich deshalb nicht ent­las­ten (Urteil 4A_433/2013 vom 15. April 2014, E. 4.3).

Betr­e­f­fend die Berech­nung des Ver­sorungss­chadens im Erwerb äusserte sich das Bun­des­gericht ins­beson­dere zum Spar­be­trag. Das Gericht fol­gte Lehrstim­men, wonach ab einem Jahre­seinkom­men von CHF 100’000 net­to bei der Bes­tim­mung der Ver­sorgungsquote ein Spar­be­trag zu berück­sichti­gen ist, der nicht für den Unter­halt der Fam­i­lie benötigt wird (E. 7.2). Gestützt auf Angaben des Bun­de­samtes für Sta­tis­tik betr­e­f­fend den Zeitraum von 2000 bis 2011 gelangte das Bun­des­gericht zum Schluss, bei jährlichen Net­toeinkom­men von CHF 100’000 bis CHF 200’000 sei die Berück­sich­ti­gung eines Spar­be­trages von 10% angemessen. Bei höheren Einkom­men über CHF 200’000 sei von einem erhöht­en Spar­be­trag von 10% bis 20% auszuge­hen (E. 7.3).