4A_66/2014: Stillschweigender Verzicht auf eine Berufungsverhandlung

In ein­er Auseinan­der­set­zung betr­e­f­fend Forderun­gen aus Werkver­trag kon­nte das Bun­des­gericht dar­legen, wann im Beru­fungsver­fahren vor der Rechtsmit­telin­stanz ein Anspruch auf Durch­führung ein­er Beru­fungsver­hand­lung beste­ht. Der Beschw­erde­führer machte gel­tend, die Beru­fungsin­stanz habe ohne Begrün­dung auf eine Ver­hand­lung verzichtet, obwohl er das Pro­tokoll der ersten Instanz bemän­gelt und eine Partei- und Zeu­gen­be­fra­gung durch die Beru­fungsin­stanz ver­langt habe. Durch den Verzicht auf eine Beru­fungsver­hand­lung sei der Anspruch auf rechtlich­es Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und der Anspruch auf Durch­führung ein­er mündlichen Ver­hand­lung nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK ver­let­zt wor­den (Urteil 4A_66/2014 vom 2. Juni 2014 E. 4). Das Bun­des­gericht ver­warf die Rüge.

Das Bun­des­gericht erwog ins­beson­dere, im Rechtsmit­telver­fahren gelte das Recht auf eine mündliche öffentliche Ver­hand­lung nur sehr beschränkt. Es beste­he namentlich nicht, wenn die Rechtsmit­telin­stanz bloss Rechts­fra­gen zu über­prüfen habe und vor der ersten Instanz, die mit der Fest­stel­lung des Sachver­halts befasst war, öffentlich ver­han­delt wurde oder eine mündliche Ver­hand­lung hätte beantragt wer­den kön­nen. Die Parteien kön­nten überdies auf ihren Anspruch auf eine mündliche öffentliche Ver­hand­lung verzicht­en. Da die Durch­führung ein­er Beru­fungsver­hand­lung nach Art. 316 Abs. 1 ZPO nicht zwin­gend vorgeschrieben ist, müsse im Beru­fungsver­fahren ein dahinge­hen­der Antrag gestellt wer­den. Ohne Ver­fahren­santrag werde angenom­men, die Parteien hät­ten auf ihren Anspruch auf Durch­führung ein­er Beru­fungsver­hand­lung stillschweigend verzichtet (vgl. zum Ganzen E. 4.1).

Nach Auf­fas­sung des Bun­des­gerichts hat­te der Beschw­erde­führer keinen aus­re­ichend klaren Antrag auf Durch­führung ein­er Beru­fungsver­hand­lung gestellt (E. 4.2):

“[…] So kri­tisierte er in der Beru­fungss­chrift seinen eige­nen Vor­brin­gen nach bloss die erstin­stan­zliche Pro­tokol­lierung der Hauptver­hand­lung. Fern­er beantragte er im Zusam­men­hang mit ver­schiede­nen Aus­führun­gen zur Sache Zeu­gen- bzw. Parteibefra­gun­gen. Diesen Aus­führun­gen und Anträ­gen mochte zwar stillschweigend die Erwartung zugrunde liegen, dass das Gericht eine mündliche Ver­hand­lung durch­führen werde, doch haben solche Begehren prax­is­gemäss bloss den Charak­ter von Beweisanträ­gen […]. Hinzu kommt, dass die Vorin­stanz gemäss den Vor­brin­gen des Beschw­erde­führers nach Ein­gang der Beru­fungsant­wort die Kosten­noten der Parteivertreter ein­ver­langt habe. Damit wurde für den Beschw­erde­führer ohne weit­eres ersichtlich, dass die Vorin­stanz das Beru­fungsver­fahren abzuschliessen gedachte und keine öffentliche und mündliche Ver­hand­lung vor­sah. Es wäre vom Beschw­erde­führer spätestens in dieser Sit­u­a­tion zu erwarten gewe­sen, dass er nun einen aus­drück­lichen Antrag auf Durch­führung ein­er Ver­hand­lung stellte bzw. auf seinem — von ihm zu Unrecht als hin­re­ichend erachteten — Antrag auf eine Ver­hand­lung behar­rt hätte. […] Jeden­falls durfte die Vorin­stanz nach dem Dargelegten ohne Kon­ven­tionsver­let­zung vom Verzicht auf die Durch­führung ein­er mündlichen Ver­hand­lung ausgehen.”