4A_374/2013: Volle Parteientschädigung im Beschwerdeverfahren betreffend das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (amtl. Publ.)

A. (Beschw­erde­führerin) reichte bei der Schlich­tungs­be­hörde Bern-Mit­tel­land ein Schlich­tungs­ge­such betr­e­f­fend Mieter­streck­ung ein. Später beantragte sie  für das hängige Schlich­tungsver­fahren sowie ein allfäl­liges erstin­stan­zlich­es Entschei­d­ver­fahren betr­e­f­fend Mieter­streck­ung die Gewährung der unent­geltlichen Recht­spflege. Nach erfol­glos­er Schlich­tungsver­hand­lung und Erteilung der Klage­be­wil­li­gung teilte die Beschw­erde­führerin mit, sie habe sich zwis­chen­zeitlich ausserg­erichtlich geeinigt und werde in eine neue Woh­nung ziehen. Gestützt auf diese Mit­teilung wies die Schlich­tungs­be­hörde das Gesuch um unent­geltliche Recht­spflege ab.

Gegen diesen Entscheid erhob A. Beschw­erde ans Oberg­ericht des Kan­tons Bern, das die Beschw­erde gut hiess, die amtliche Entschädi­gung jedoch nach dem reduzierten Tarif für die unent­geltliche Rechtsver­beistän­dung fest­set­zte. Vor Bun­des­gericht machte die Beschw­erde­führerin gel­tend, es sei die volle Parteientschädi­gung gemäss ein­gere­ichter Hon­o­rarnote zu Las­ten des Kan­tons Bern auszuricht­en (Urteil 4A_374/2013 vom 23. Sep­tem­ber 2014).

Für das Bun­des­gericht stellte sich eine Frage von grund­sät­zlich­er Bedeu­tung. Das Bun­des­gericht hat­te noch keine Gele­gen­heit, sich zur Frage zu äussern, ob ein Kan­ton in einem Ver­fahren um Gewährung der unent­geltlichen Recht­spflege zufolge Unter­liegens gestützt auf die Zivil­prozes­sor­d­nung zur Tra­gung der Parteikosten verurteilt wer­den kann, und gegebe­nen­falls in welch­er Höhe (E. 1.3).

Das Oberg­ericht hat­te entsch­ieden, die Zivil­prozes­sor­d­nung biete keine Grund­lage, weshalb der Recht­san­walt gemäss der kan­tonalen Aus­fall­haf­tung nach Art. 122 Abs. 2 ZPO angemessen zu entschädi­gen sei, wobei ein reduziert­er Tarif zur Anwen­dung gelange (E. 2). Die Beschw­erde­führerin machte demge­genüber gel­tend, die Prozesskosten seien gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO der unter­liegen­den Partei aufzuer­legen, wobei im Beschw­erde­v­er­fahren betr­e­f­fend die Gewährung der unent­geltlichen Recht­spflege der Kan­ton als Partei zu gel­ten habe (E. 2.1). Das Bun­des­gericht fol­gte der Beschw­erde­führerin und hob den ange­focht­e­nen Entscheid auf.

Das Bun­des­gericht hielt zunächst fest, dass kein Ver­fahrens­fehler fest­gestellt wer­den kon­nte, weshalb keine unnöti­gen Kosten verur­sacht wor­den waren, die eine Entschädi­gungspflicht des Kan­tons nach Art. 108 ZPO aus­gelöst hät­ten. Eine Koste­nau­flage aus Bil­ligkeit nach Art. 107 Abs. 2 ZPO fiel auss­er Betra­cht, da die Bes­tim­mung nur zwis­chen den Parteien des Zivil­prozess­es anzuwen­den ist, nicht aber, wenn sich das Rechtsmit­tel gegen den Kan­ton sel­ber richtet. Zu prüfen war deshalb, ob der Kan­ton gestützt auf Art. 106 ZPO zur Aus­rich­tung ein­er vollen Parteientschädi­gung verpflichtet wer­den kon­nte (vgl. zum Ganzen E. 3.2).

Gemäss Bun­des­gericht ist zwis­chen dem Gesuchsver­fahren und dem Beschw­erde­v­er­fahren zu unter­schei­den. Wird die Beschw­erde gut geheis­sen, unter­liegt der Kan­ton und die Beschw­erde­führerin ist betr­e­f­fend die Parteientschädi­gung so wie in jedem anderen Fall des Obsiegens zu behan­deln. Es ist ihr eine volle Parteientschädi­gung gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO zuzus­prechen (E. 4.3.2).