1B_330/2014: Entsiegelung von Arztunterlagen; Triage durch ZMG anstatt StA, Ausscheiden nicht untersuchungsrelevanter Objekte und Anonymisierung unentbehrlicher ärztlicher Dokumente (amtl. Publ.)

In ein­er Stra­fun­ter­suchung gegen einen Arzt wegen Ver­dachts auf Wider­hand­lun­gen gegen eid­genös­sis­che und kan­tonale Gesund­heits- und Heilmit­telge­set­ze wur­den drei Haus­durch­suchun­gen durchge­führt. Nach einem Siegelungsantrag sein­er­seits und einem Entsiegelungs­ge­such durch die Staat­san­waltschaft bewil­ligte das zuständi­ge Zwangs­mass­nah­men­gericht die Entsiegelung sämtlich­er sichergestell­ten Gegen­stände und Aufze­ich­nun­gen. Die gegen diese Ver­fü­gung ein­gere­ichte Beschw­erde vor dem Bun­des­gericht hat­te teil­weise Erfolg.

Zunächst ein­mal hat die Staat­san­waltschaft zwar nicht das Ver­hält­nis­mäs­sigkeits­ge­bot ver­let­zt, als sie Haus­durch­suchun­gen vorgenom­men und Beweis­mit­tel vor­läu­fig gesichert hat, wie der Beschw­erde­führer angesichts der Schwere der zu unter­suchen­den Delik­te (Ver­stösse gegen
das Ver­bot der ärztlichen Selb­st­dis­pen­sa­tion gemäss Art. 86 Abs. 1 lit. c
bzw. Art. 87 Abs. 1 lit. f HMG und das Ver­bot der selbstständigen
ärztlichen Beruf­sausübung in straf­bar­er Weise gemäss Ver­fü­gung der
kan­tonalen Behör­den) vorge­bracht hat­te. Allerd­ings sind von ein­er Durch­suchung seit­ens der Staat­san­waltschaft alle Aufze­ich­nun­gen und Gegen­stände auszunehmen, die erkennbar wed­er mit der unter­suchungs­ge­gen­ständlichen Medika­menten­ab­gabe noch mit der selb­st­ständi­gen ärztlichen Beruf­sausübung zusammenhängen.

Darüber hin­aus verkan­nte das Zwangs­mass­nah­men­gericht die ihm vom Gesetz zugewiesene Auf­gabe. Es obliegt dem Zwangs­mass­nah­men­gericht­es und nicht der Staat­san­waltschaft, die rechtlichen Entsiegelungsvo­raus­set­zun­gen im Vorver­fahren zu prüfen (Art. 248 Abs. 3 lit. a StPO). Nöti­gen­falls hat der Entsiegelungsrichter eine entsprechende Triage, d.h. Sich­tung der ver­siegel­ten Unter­la­gen, vorzunehmen. Dies gilt beson­ders in Fällen von durch das Arzt­ge­heim­nis geschützten ver­traulichen Unter­la­gen. Zur Prü­fung des Inhalts der ver­siegel­ten Aufze­ich­nun­gen und Gegen­stände sowie zur Erle­ichterung ein­er allfäl­li­gen Anonymisierung kann der Entsiegelungsrichter eine sachver­ständi­ge Per­son und tech­nis­che Hil­f­s­mit­tel beiziehen (Art. 248 Abs. 4 StPO) und auch Stel­lung­nah­men des Beschuldigten und der Staat­san­waltschaft einholen.

Das Bun­des­gericht kommt zu dem Ergeb­nis, dass:

5.6. […] das Zwangs­mass­nah­men­gericht im vor­liegen­den Fall eine Triage der ver­siegel­ten Aufze­ich­nun­gen und Gegen­stände vorzunehmen hat. Soweit der Beschw­erde­führer sub­stanzi­iert und überzeu­gend dar­legt, welche konkreten Unter­la­gen und Dateien nicht unter­suchungsrel­e­vant sind, wer­den diese auszuschei­den sein. […] Bei den für die Stra­fun­ter­suchung unent­behrlichen ärztlichen Aufze­ich­nun­gen und Gegen­stän­den hat vor ein­er Freiga­be zur Durch­suchung an die Staat­san­waltschaft eine Anonymisierung der Namen von betrof­fe­nen Pati­entin­nen und Patien­ten zu erfol­gen. […] Auszuschei­den sind alle dem Anwalts­ge­heim­nis unter­ste­hen­den Unter­la­gen und Dateien. Soweit die Vorin­stanz an der Freiga­be von Pri­vatko­r­re­spon­denz des Beschw­erde­führers zur Durch­suchung (ganz oder teil­weise) fes­thal­ten möchte, wird sie zu begrün­den haben, inwiefern eine Unter­suchungsrel­e­vanz beste­ht und das öffentliche Inter­esse an den hier unter­sucht­en Straftat­en das pri­vate Geheimniss­chutz­in­ter­esse überwiegt.