4A_365/2014: Instruktionsfehler in der Patienteninformation zur Pille “Yasmin” verneint

C. (Klägerin, Beschw­erde­führerin) erhielt als 16-jährige von ihrem Gynäkolo­gen die Ver­hü­tungspille “Yas­min” ver­schrieben. Wenige Monate später brach die Klägerin zusam­men und musste not­fallmäs­sig hos­pi­tal­isiert wer­den. Sie erlitt eine bei­d­seit­ige Lun­genem­bolie und als Folge des Sauer­stoff­man­gels eine schwere Hirn­schädi­gung. Die Klägerin ist heute spastisch gelähmt und schw­er invalid.

C. klagte gestützt auf das Pro­duk­te­haftpflicht­ge­setz (PrHG) gegen den Her­steller der Pille und machte gel­tend, das Pro­dukt “Yas­min” sei fehler­haft, weil es bei den Anwen­derin­nen zu einem erhöht­en Risiko ein­er venösen Throm­boem­bolie führt und in der Patien­ten­in­for­ma­tion nicht genü­gend darauf hingewiesen werde, dass allen­falls von einem dop­pelt so hohen Risiko für ein throm­boem­bolis­ches Ereig­nis auszuge­hen sei wie bei den bish­er bekan­nten Pillen der zweit­en Gen­er­a­tion (Urteil 4A_365/2014 vom 5. Jan­u­ar 2015, E. 5 und 9).

Das Bun­des­gericht verneinte indessen das Vor­liegen eines Instruk­tions­fehlers bezüglich des Pro­duk­ts “Yas­min”. Nach Art. 4 PrHG ist ein Pro­dukt fehler­haft, wenn es nicht die Sicher­heit bietet, die unter Berück­sich­ti­gung aller Umstände erwartet wer­den darf, wobei gemäss Bun­des­gericht auf die Sicher­heit­ser­wartung eines hypo­thetis­chen Durch­schnittskon­sumenten abzustellen sei. Zu unter­schei­den seien Fabrikations‑, Kon­struk­tions- und Instruk­tions­fehler. Ein Instruk­tions­fehler liege bei Pro­duk­ten vor, die nicht mit einer
geeigneten Infor­ma­tion hin­sichtlich der gegenüber dem Konsumenten
beste­hen­den Risiken verse­hen sind
(E. 7).

Bei rezeptpflichti­gen Medi­z­inal­pro­duk­ten sei bezüglich der Sicher­heit­ser­wartun­gen nicht allein auf die indi­vidu­ellen Erwartun­gen des Patien­ten abzustellen, denn diesem fehle in der Regel das nötige Fach­wis­sen, um die mit rezept­flichti­gen Medika­menten ver­bun­de­nen Gefahren richtig ein­schätzen zu kön­nen. Für die Beurteilung, ob die Sicher­heit­ser­wartun­gen des Patien­ten bezüglich rezeptpflichtiger Medika­mente berechtigt seien, müsse daher auch das Wis­sen des Arztes ein­be­zo­gen wer­den, der das Medika­ment ver­schreibe. Der Arzt sei verpflichtet, die Chan­cen und Risiken der ver­schiede­nen auf dem Markt erhältlichen Pro­duk­te im Hin­blick auf die konkrete Anwen­dung abzuwä­gen und diese mit seinem Patien­ten zu disku­tieren. Gemäss Bun­des­gericht war deshalb nicht zu bean­standen, dass nur die an die Ärzte gerichtete Fach­in­for­ma­tion den Hin­weis enthielt, dass allen­falls mit einem dop­pelt so hohen Risiko für ein throm­boem­bolis­ches Ereig­nis auszuge­hen sei wie bei den bish­er bekan­nten Pillen der zweit­en Gen­er­a­tion, während in der Patien­ten­in­for­ma­tion ein solch­er Ver­gle­ich fehlte (E. 9.2).