4A_653/2014: Bonus als Gratifikation bei sehr hohem Einkommen (amtl. Publ.)

Ein Bankangestell­ter im Rang eines “Man­ag­ing Direc­tors” erzielte seit April 2006 ein fix­es Grun­deinkom­men von CHF 300’000 pro Jahr. Zusät­zlich erhielt er jew­eils von der Bank einen Cash-Bonus und einen Aktien­bonus. Die Gesamtvergü­tung betrug im Jahr 2007 CHF 1.85 Mio. und im Jahr 2008 CHF 2.05 Mio.

Im Dezem­ber 2008 kündigte die Bank für den Cash­bonus 2009 einen neuen Bonus­plan an (“Cash Reten­tion Award”). Der Bonus­plan sah eine Rück­zahlungsverpflich­tung pro rata tem­po­ris vor, falls inner­halb von zwei Jahren ab dem 21. Jan­u­ar 2009 bes­timmte Ereignisse ein­treten wür­den (“Claw­back”). Am 21. Jan­u­ar 2009 akzep­tierte der Man­ag­er den neuen Plan, worauf der Bonus am 25. Feb­ru­ar 2009 aus­bezahlt wurde.

Am 4. März 2009 kündigte der Man­ag­er das Arbeitsver­hält­nis per Ende Juni 2009, worauf er wenige Tage später freigestellt wurde. Die Bank machte gestützt auf den neuen Bonus­plan gel­tend, die Kündi­gung stelle ein “Claw­back Event” dar. Da der Arbeit­nehmer den Auf­forderun­gen zur Rück­zahlung des Bonus nicht nachkam, zog die Bank den Betrag vom Mitar­beit­erkon­to ab. Der Man­ag­er leit­ete darauf hin Klage ein.

Die bei­den kan­tonalen Instanzen (Cour civile du Tri­bunal can­ton­al vau­dois; Cour d’ap­pel civile du Tri­bunal can­ton­al vau­dois) verurteil­ten jew­eils die Bank zu Zahlun­gen. Das Bun­des­gericht hiess dage­gen die Beschw­erde der Bank gut und wies die Klage des ehe­ma­li­gen Arbeit­nehmers ab (Urteil 4A_653/2014 vom 11. August 2015).

Das Bun­des­gericht fasste seine bish­erige Recht­sprechung zusam­men (E. 4), wonach der Bonus bei sehr hohen Einkom­men als Grat­i­fika­tion und nicht als vari­abler Lohnbe­standteil zu qual­i­fizieren ist, sofern sich der Arbeit­ge­ber ein Ermessen vor­be­hal­ten hat (E. 4.2.1 und 4.3.2). Wann ein sehr hohes Einkom­men vor­liegt, war vom Bun­des­gericht bis­lang nicht näher bes­timmt wor­den (E. 5.2.1).

In ein­er aus­führlichen Erwä­gung gelangte das Gericht nun zur Fest­stel­lung, dass ein sehr hohes Einkom­men vor­liegt, wenn die jährliche Gesamtvergü­tung (“rémunéra­tion totale”) das Fünf­fache des schweiz­erischen Medi­an­lohns (Pri­vat­sek­tor) beträgt oder über­steigt (“équiv­aut ou dépasse”). In einem solchen Fall stelle der Bonus eine Grat­i­fika­tion dar, die im Ermessen des Arbeit­ge­bers ste­ht (“une grat­i­fi­ca­tion, laque­lle demeure au bon vouloir de l’em­ployeur”; E. 5.4).

Das Bun­des­gericht präzisierte überdies, dass jew­eils diejeni­gen Salärzahlun­gen für den Ver­gle­ich mit dem Medi­an­lohn mass­gebend sind, die in einem Jahr an den Arbeit­nehmer geleis­tet wer­den. Das mass­gebende Jahre­seinkom­men set­zt sich dem­nach aus dem Grundge­halt und der Bonuszahlung in diesem Jahr zusam­men, auch wenn der Bonus regelmäs­sig auf den Geschäft­szahlen aus dem Vor­jahr beruht (E. 5.3.1).

Im konkreten Fall richtete die Bank im Jahr 2009 für eine sechsmonatige Ver­trags­dauer eine Gesamtvergü­tung von rund CHF 360’000 aus. Der fünf­fache Medi­an­lohn für sechs Monate betrug demge­genüber nur CHF 177’000 (CHF 354’000 für das gesamte Jahr). Der Bonus war daher als Grat­i­fika­tion zu qual­i­fizieren, obwohl die Bonusleis­tun­gen im Ver­gle­ich zum Grundge­halt keinen akzes­sorischen Charak­ter mehr aufwiesen (E. 6).