4A_221/2015: Verrechnungseinrede im Prozess (amtl. Publ.)

Gegen­stand dieses Urteils bilde­ten zwei voneinan­der unab­hängige Werkverträge, welche eine Bestel­lerin mit ein­er Unternehmerin abgeschlossen hat­te. Im Zusam­men­hang mit bei­den Verträ­gen kam es zum Stre­it über die Höhe des geschulde­ten Werk­lohns und in Folge davon zu zwei sep­a­rat­en Ver­fahren an dem­sel­ben Bezirks­gericht. Die Bestel­lerin erhob in bei­den Ver­fahren für den Fall, dass das Gericht die Forderung der Unternehmerin als begrün­det eracht­en sollte, die Einrede der Ver­rech­nung. Sowohl gemäss den Fest­stel­lun­gen der Vorin­stanz als auch gemäss den Angaben der Bestel­lerin han­delte es sich in bei­den Ver­fahren um dieselbe Forderung, mit welch­er die Ver­rech­nung­seinrede erhoben wurde. Die Vorin­stanz liess die Ver­rech­nung­seinrede nicht zu.

Sie erwog zunächst, dass Art. 153 der SIA-Norm 118 bere­its eine Ver­rech­nungsabrede bein­halte, weshalb die Ver­rech­nung­seinrede der Bestel­lerin nicht zuzu­lassen sei (E. 6.2). Dieser Ausle­gung fol­gte das Bun­des­gericht mit Hin­weis auf die ein­schlägige Lit­er­atur zu Art. 153 der SIA-Norm 118 indessen nicht: Wed­er werde im Zusam­men­hang mit dieser Bes­tim­mung vertreten, dass allfäl­lige Gegen­forderun­gen der Bestel­lerin durch Ver­rech­nung getil­gt wür­den, noch werde argu­men­tiert, dass diese Norm ein Ver­rech­nungsver­bot sta­tu­ieren würde (E. 6.3).

Umstrit­ten war vor allem, ob dieselbe Forderung in zwei voneinan­der unab­hängi­gen Ver­fahren ver­rech­nungsweise gel­tend gemacht wer­den kann. Das Bun­des­gericht wies zunächst darauf hin, dass gemäss herrschen­der Lehre die in einem Ver­fahren erhobene Ver­rech­nung­seinrede nicht von der Recht­shängigkeit i.S.v. Art. 62 ZPO erfasst werde. Allerd­ings, so das Bun­des­gericht weit­er (E. 6.5), sei es

aus prozessökonomis­chen Grün­den und wegen der Gefahr wider­sprüch­lich­er Urteile nicht hin­nehm­bar, dass sich mehrere Gerichte bzw. Spruchkör­p­er par­al­lel mit der iden­tis­chen Ver­rech­nungs­forderung auseinan­derzuset­zen haben, wenn diese von der beklagten Partei in mehreren Prozessen gegen die gle­iche Klägerin im Rah­men von Even­tu­alver­rech­nun­gen als Vertei­di­gungsmit­tel einge­set­zt wird (…). In einem solchen Fall sind die Ver­fahren vielmehr so zu koor­dinieren, dass das gle­iche Prozess­the­ma nicht dop­pelt beurteilt wird. Dies kann etwa durch eine Prozessüber­weisung gestützt auf Art. 127 Abs. 1 ZPO oder eine Ver­fahrensvere­ini­gung gestützt auf Art. 125 lit. c ZPO geschehen. Eben­falls denkbar ist eine Sistierung des Zweit­prozess­es gestützt auf Art. 126 ZPO (…).

Gestützt auf diese Erwä­gun­gen hob das Bun­des­gericht das vorin­stan­zliche Urteil auf und wies das Ver­fahren zur neuen Beurteilung der Ver­rech­nung­seinrede zurück. Dabei wies es darauf hin, dass die Vorin­stanz die bei­den Ver­fahren zu koor­dinieren habe, wobei in Übere­in­stim­mung mit der Lehre eine Ver­fahrensvere­ini­gung im Vorderung ste­hen dürfte (E. 6.6).