BVGer bestätigt Busse von CHF 156 Mio. gegen BMW wegen Verhinderung von Parallelimporten

Mit Urteil vom 13. Novem­ber 2015 hat das Bun­desver­wal­tungs­gericht eine Busse der Wet­tbe­werb­skom­mis­sion gegen die Bayrische Motoren Werke AG, München (BMW), in der Höhe von CHF 156 Mio. bestätigt. Das Gericht erkan­nte in ein­er ver­traglichen Abrede, welche den BWM-Händlern im Europäis­chen Wirtschaft­sraum (EWR) Exporte in Län­der ausser­halb des EWR und damit auch Exporte in die Schweiz unter­sagte, eine unzuläs­sige ver­tikale Gebi­etsabrede im Sinne von Art. 5 Abs. 4 KG.

Auf­grund des im Aus­land verorteten Sachver­haltes befasste sich das Bun­desver­wal­tungs­gericht zunächst mit der Frage der Anwend­barkeit des Schweiz­er Kartellge­set­zes. Das Gericht erwog dies­bezüglich, dass von einem weit­en örtlichen Anwen­dungs­bere­ich des Schweiz­er Kartellge­set­zes auszuge­hen sei. Das in Art. 2 Abs. 2 KG ver­ankerte Auswirkung­sprinzip solle der Anwen­dung des Kartellge­set­zes expliz­it auch dort zum Durch­bruch ver­helfen, wo ein Wet­tbe­werb­sver­stoss im Aus­land began­gen wurde. Zur konkreten Beurteilung des Vor­liegens von Auswirkun­gen hielt das Gericht ins­beson­dere fest [E 2.3.10]:

Für die Beant­wor­tung der Frage der Natur ein­er Auswirkung ist ein Abstellen auf die abstrak­ten Begriffe “Spürbarkeit”,“Unmittelbarkeit”, “Tat­säch­lichkeit” und “Vorherse­hbarkeit” mit erhe­blichen Unsicher­heit­en für die Recht­sun­ter­wor­fe­nen ver­bun­den. Zielführen­der ist es, Mark­tauswirkun­gen dort zu beja­hen, wo durch Ver­wirk­lichung eines Sach­norm­tatbe­standes der Anwen­dungsanspruch ein­er Recht­sor­d­nung aus­gelöst wird […].

Der dadurch bre­it gefasste Anwen­dungs­bere­ich werde durch die Anwen­dung der materiellen Bes­tim­mungen des Kartellge­set­zes wieder eingeschränkt. Dies ver­hin­dere, “dass gegen Unternehmen Sank­tio­nen aus­ge­sprochen wer­den für Wet­tbe­werb­s­beschränkun­gen, welche nur ger­i­nege oder keine Auswirkun­gen in der Schweiz zeit­i­gen”. Für die Begrün­dung der Anwend­barkeit des Schweiz­er Kartellge­set­zes erachtete es das Bun­desver­wal­tungs­gericht fol­glich als entschei­dend, dass BMW “Abre­den getrof­fen [habe], welche den Verkauf von Pro­duk­ten in die Schweiz und somit den Schweiz­er Markt betreffen”.

Im Kern des Entschei­des stand allerd­ings die Frage nach der Erhe­blichkeit der Wet­tbe­werb­sabrede — mithin die Frage, ob bei Vor­liegen ein­er qual­i­ta­tiv erhe­blichen Wet­tbe­werb­sabrede auf die Prü­fung quan­ti­ta­tiv­er Kri­te­rien verzichtet wer­den kann.

Das Bun­desver­wal­tungs­gericht hielt hierzu zwar zunächst fest, dass die Erhe­blichkeit grund­sät­zlich sowohl anhand qual­i­ta­tiv­er als auch quan­ti­ta­tiv­er Ele­mente zu beurteilen sei. Dieser Grund­satz erfahre aber bei beson­ders prob­lema­tis­chen Abre­den eine Ein­schränkung [E 9.1.4]:

Vere­in­barun­gen, durch welche aktive und pas­sive Verkäufe in ein Ter­ri­to­ri­um unter­bun­den wer­den (sog. absolute Gebi­etss­chutzk­lauseln) gehören zu den kartell­rechtlich schädlich­sten Abre­den. Wenn das Gesetz bei ihrem Vor­liegen die Ver­mu­tung sta­tu­iert, dass sie den wirk­samen Wet­tbe­werb beseit­i­gen, so ist a maiore ad minus davon auszuge­hen, dass sie sich auch erhe­blich auf den Wet­tbe­werb auswirken […]. Diese Ausle­gung ist umso mehr geboten, als die Schweiz auf­grund ihrer Nicht-Mit­glied­schaft im EWR einen geson­derten Markt aufweist, welch­er anfäl­lig ist für Gebi­etsab­schot­tun­gen. Sie entspricht, wie erwäh­nt, auch dem Willen des Geset­zge­bers, der mit der Ein­führung des Art. 5 Abs. 4 KG der Vorin­stanz eine Hand­habe geben wollte, um ins­beson­dere gegen den Schweiz­er Markt abschot­tende Klauseln vorzuge­hen und Par­al­le­limporte zu ermöglichen.

Nicht gel­ten liess das Gericht in diesem Zusam­men­hang den Ein­wand, dass mit dem fak­tisch alleini­gen Abstützen auf qual­i­ta­tive Ele­mente ein ver­fas­sungsrechtlich unzuläs­siges per se-Ver­bot sta­tu­iert werde. Es liege kein per se-Ver­bot vor, solange eine Recht­fer­ti­gung aus Effizien­z­grün­den möglich sei.

In der Folge hielt das Gericht fest, dass es sich bei beim ver­traglichen Exportver­bot um eine qual­i­ta­tiv erhe­bliche Wet­tbe­werb­s­beschränkung han­dle. Es liege somit auch ins­ge­samt eine den Wet­tbe­werb erhe­blich beein­träti­gende Abrede vor.

Das Bun­desver­wal­tungs­gericht betonte im Anschluss, dass sich seine Erwä­gun­gen zur Prü­fung qual­i­ta­tiv­er und quan­ti­ta­tiv­er Ele­mente nur auf den konkreten Fall beziehen. Der Frage, ob “bei einem anderen Sachver­halt” nach der Fest­stel­lung qual­i­ta­tiv­er Erhe­blichkeit auch noch quan­ti­ta­tive Ele­mente zu prüfen seien, müsse nicht nachge­gan­gen wer­den. Ger­ade diese zen­trale Frage ist derzeit allerd­ings Gegen­stand der vor Bun­des­gericht hängi­gen Beschw­er­den in Sachen Elmex bzw. Gaba/Gebro. Das Bun­desver­wal­tungs­gericht hat wegen den damit ver­bun­de­nen Unsicher­heit­en dann vor­sicht­shal­ber doch auch noch eine Prü­fung quan­ti­ta­tiv­er Ele­mente vorgenom­men, welche nach Ansicht des Gericht­es “den Schluss unter­mauern, wonach das Exportver­bot eine den wirk­samen Wet­tbe­werb erhe­blich beein­trächti­gende Abrede i.S.v. Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 4 KG darstellt”.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: Medi­en­mit­teilung (PDF), Urteil vom 13. Novem­ber 2015 (PDF).