4A_553/2015: Übergang des Mietverhältnisses beim Heimfall einer im Baurecht erstellten Baute (amtl. Publ.)

Dem Bun­des­gericht bot sich in diesem Urteil erst­mals die Gele­gen­heit, zu beurteilen, ob mit dem Heim­fall ein­er im Bau­recht erstell­ten Baute gemäss Art. 779c ZGB von Geset­zes wegen auch ein Über­gang des Mietver­hält­niss­es auf den Grun­deigen­tümer erfolgt.

Das zugun­sten der Ver­mi­eterin eingeräumte Bau­recht wurde als eigenes Grund­stück in das Grund­buch aufgenom­men. Zudem wurde der stre­it­ge­gen­ständliche Mietver­trag im Grund­buch vorge­merkt (E. A.a). Unbe­strit­ten war, dass der Grun­deigen­tümer nie wil­lentlich in den Mietver­trag einge­treten war (E. 3). Vielmehr teilte er der Mieterin aus­drück­lich mit, dass deren Mietver­hält­nis durch Heim­fall dahin­falle (E. A.a.).

Das Bun­des­gericht erwog zunächst, dass der Heim­fall gemäss Art. 779c ZGB nicht unmit­tel­bar von Art. 261 Abs. 1 OR erfasst werde. Vielmehr ergebe sich aus der Struk­tur dieser Norm, dass der Über­gang des Mietver­hält­niss­es mit dem Eigen­tum die Rechts­folge sei, welche nur ein­trete, wenn der Ver­mi­eter die Sache veräussere. Dabei wies das Bun­des­gericht ins­beson­dere auf den franzö­sis­chen Text der Norm hin, aus welch­er diese wen­n/­dann-Kon­stel­la­tion beson­ders deut­lich her­vorge­he (“Si, […] le bailleur aliène la chose louée […], le bail passe à l’ac­quéreur avec la pro­priété de la chose.”) (E. 4).

Anschliessend prüfte das Bun­des­gericht, ob eine analoge Anwen­dung von Art. 261 Abs. 1 OR angezeigt sei.

Dabei rief das Bun­des­gericht zunächst in Erin­nerung, dass es in einem Entscheid aus dem Jahr 1987 die analoge Anwen­dung von (damals) Art. 295 Abs. 2 aOR bei Unter­gang der Nutznies­sung zufolge Todes des Nutzniessers bejaht hat­te (BGE 113 II 121, E. 3/b). In diesem Entscheid behan­delte das Bun­des­gericht den Unter­gang der Nutznies­sung gle­ich wie die Veräusserung des Mieto­b­jek­ts. Es begrün­dete dies mit der Inter­essen­lage ein­er­seits des Mieters und ander­er­seits des Erben, der zuvor nur das nack­te Eigen­tum innege­habt hat­te. Der Mieter sei plöt­zlich und ohne Ver­schulden mit einem Drit­ten kon­fron­tiert, der nicht sein Ver­tragspart­ner sei. Demge­genüber sei es wahrschein­lich­er, dass dem Erben der Mietver­trag bekan­nt sei. Dieser Analo­gi­eschluss sei gerecht­fer­tigt, da der plöt­zliche Tod des Nutzniessers für den Mieter eben­so wenig vorausse­hbar sei wie der Eigen­tum­swech­sel zufolge Veräusserung. Das Schutzbedürf­nis sei somit ver­gle­ich­bar (E. 5.1 und E. 5.3.1). Anschliessend wies das Bun­des­gericht auf die unter­schiedlichen, in der Lehre vertrete­nen Ansicht­en hin, ob und wenn ja inwieweit Art. 261 OR bei Erlöschen eines beschränk­ten dinglichen Rechts ana­log anwend­bar ist. Ein Teil der Lehre nimmt dabei Bezug auf BGE 113 II 121 und knüpft eben­falls an die Vorausse­hbarkeit des Heim­falls an (E. 5.2).

Das Bun­des­gericht erwog daraufhin, dass vor­liegend – wie in BGE 113 II 121 – eine analoge Anwen­dung von Art. 261 OR auf den Heim­fall auf jeden Fall nur in Frage komme, wenn die Inter­essen­lage des vom Heim­fall betrof­fe­nen Mieters ver­gle­ich­bar sei mit jen­er der Parteien gemäss Art. 261 OR (E. 5.3). Entschei­dend war für das Bun­des­gericht damit auch, ob der Heim­fall für die Mieterin vorausse­hbar war (E. 5.3.1).

Die Vorin­stanz hat­te die Vorausse­hbarkeit mit der Begrün­dung bejaht, dass es sich um einen ordentlichen Heim­fall infolge Zeitablauf des Bau­rechts nach Art. 779c ZGB han­delte, das betr­e­f­fende Bau­recht als eigenes Grund­stück im Grund­buch aufgenom­men und dem Grund­buchein­trag die zeitliche Beschränkung des Bau­rechts zu ent­nehmen war. Auf­grund der Fik­tion der Ken­nt­nis des Grund­buchein­trags gestützt auf Art. 970 Abs. 4 ZGB war – so die Vorin­stanz – der Heim­fall für die Mieterin vorausse­hbar (E. 5.3.1).

Das Bun­des­gericht fol­gte dieser Begrün­dung nicht. Die Fik­tion der Ken­nt­nis des Grund­buch­in­halts betr­e­ffe den gut­gläu­bi­gen Erwer­ber. Sie bedeute jedoch nicht, dass für jed­er­mann der Inhalt des Grund­buchs als bekan­nt voraus­ge­set­zt wer­den dürfe (E. 5.3.2).

Im Ergeb­nis stützte allerd­ings das Bun­des­gericht den Entscheid der Vorin­stanz. Da der Mietver­trag tat­säch­lich im Grund­buch vorge­merkt war, sei der Mieterin bekan­nt gewe­sen, dass die Ver­mi­eterin bloss Bau­rechtsin­hab­erin gewe­sen sei. Da somit der Heim­fall für die Mieterin vorausse­hbar war, komme eine analoge Anwen­dung von Art. 261 Abs. 1 OR bere­its aus diesem Grund nicht in Frage. Offen liess das Bun­des­gericht, ob eine analoge Anwen­dung angesichts der übri­gen in BGE 113 II 121 erwäh­n­ten Gesicht­spunk­te auf den Unter­gang des befris­teten Bau­rechts über­haupt gerecht­fer­tigt wäre (E. 5.3.2).