4A_222/2016: Gerichtliche Zustellung an im Patentregister eingetragene Vertreter (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht verneinte in diesem Urteil, dass die als Vertreterin für ein Patent im Paten­treg­is­ter einge­tra­gene Paten­tan­walt­skan­zlei als Vertre­tung im Sinne von Art. 137 ZPO bzw. die dort angegebene Adresse als Zustel­lungs­dom­izil nach Art. 140 ZPO zu betra­cht­en ist.

Hin­ter­grund bildete eine Klage auf Nichtigerk­lärung des schweiz­erischen Teils eines Europäis­chen Patents. Das Bun­despatent­gericht set­zte der (aus­ländis­chen) Beklagten Frist an, um die Klage zu beant­worten und um entwed­er ein Zustel­lungs­dom­izil oder einen Zustel­lungsempfänger in der Schweiz zu beze­ich­nen; Let­zteres unter Andro­hung, dass im Säum­n­is­fall die Zustel­lung durch Pub­lika­tion erfol­gen werde. Der Beklagten wurde diese Ver­fü­gung auf dem Recht­shil­feweg zugestellt. Innert der ange­set­zten Frist erstat­tete die Beklagte wed­er eine Klageant­wort noch beze­ich­nete sie ein Zustel­lungs­dom­izil oder einen Zustel­lungsempfänger in der Schweiz. Auch die vom Bun­despatent­gericht ange­set­zte Nach­frist, die durch Pub­lika­tion im SHAB zugestellt wurde, ver­strich ungenutzt. Das Bun­despatent­gericht hiess in der Folge die Klage gut und erk­lärte den Schweiz­er Teil des Stre­it­patents für nichtig.

Vor Bun­des­gericht rügte die Beklagte, dass die (erste) Zustel­lung nicht auf dem Recht­shil­feweg direkt an sie hätte erfol­gen dür­fen. Zur Begrün­dung brachte sie mehrere Gründe vor, die alle­samt vom Bun­des­gericht ver­wor­fen wurden:

Zunächst machte die Beklagte gel­tend, dass für den schweiz­erischen Teil des Stre­it­patents in der Schweiz eine Paten­tan­walt­skan­zlei als Vertreterin bestellt und einge­tra­gen sei. Art. 137 ZPO sei weit und in dem Sinne zu ver­ste­hen, dass auch Reg­is­ter­vertreter von Schutzrecht­en darunter fall­en wür­den. Dies müsse v.a. dann gel­ten, wenn der einge­tra­gene Vertreter bezüglich des Ver­fahrens­ge­gen­stands auch zur Vertre­tung vor Bun­despatent­gericht berechtigt sei (Art. 29 PatGG). Das Bun­des­gericht fol­gte dieser Argu­men­ta­tion nicht, da es sich bei der Paten­tan­walt­skan­zlei um eine Aktienge­sellschaft han­delte. Diese sei als juris­tis­che Per­son nicht zur Vertre­tung vor dem Bun­despatent­gericht befugt. Insoweit könne es sich bei der im Paten­treg­is­ter einge­tra­ge­nen Kan­zlei nicht um eine Vertreterin im Sinne von Art. 137 ZPO han­deln (E. 2.2.2).

Die Beklagte berief sich sodann auf die ursprüngliche Fas­sung von aArt. 13 PatG (AS 1955 874), wonach der in der Schweiz niederge­lassene Vertreter den Patentin­hab­er unter anderem vor dem Richter vertrete. Unter Hin­weis auf die Entwick­lung der Geset­zge­bung, während welch­er diese Bes­tim­mung wieder­holt abgeän­dert wurde, lehnte das Bun­des­gericht diese Begrün­dung ab. Bere­its  der Wort­laut des rev­i­dierten Art. 13 Abs. 1 PatG beschränke die Anwen­dung auf Ver­wal­tungsver­fahren und schreibe bei Aus­land­wohn­sitz lediglich noch ein Zustel­lungs­dom­izil vor (E. 2.2.3).

Auch aus der von der Beklagten gel­tend gemacht­en sub­sidiären Zuständigkeit gemäss Art. 109 Abs. 1 Satz 2 IPRG lasse sich keine abwe­ichende Ausle­gung ableit­en. Der Gerichts­stand gemäss dieser Bes­tim­mung hänge auss­chliesslich von der Ein­tra­gung im Paten­treg­is­ter ab und nicht etwa von der tat­säch­lichen Vertretereigen­schaft des Einge­tra­ge­nen. Zudem wür­den im Paten­trecht die örtlichen Ersatz­zuständigkeit­en wohl umfassend durch die auss­chliessliche Zuständigkeit des Bun­despatent­gerichts (Aet. 26 Abs. 1 lit. a PatGG) ver­drängt (E. 2.2.3).

Das Bun­des­gericht verneinte sodann, dass die im Paten­treg­is­ter angegebene Adresse des Vertreters als Zustel­lungs­dom­izil i.S.v. Art. 140 ZPO gelte. Die Beklagte berief sich dabei erfol­g­los auf Art. 132 Abs. 3 des Voren­twurfs der Expertenkom­mis­sion zur Schweiz­erischen Zivil­prozes­sor­d­nung. Auf diese Bes­tim­mung wurde in der Folge verzichtet (Art. 140 ZPO). Dies entspreche — so das Bun­des­gericht — der Absicht des Geset­zge­bers, im Bere­ich der gerichtlichen Zustel­lung keine Son­der­regelung für Stre­it­igkeit­en betr­e­f­fend in einem Reg­is­ter einge­tra­gene Imma­te­ri­al­güter­rechte vorzuse­hen (E. 2.2.4).

Die Beklagte warf dem Bun­despatent­gericht schliesslich erfol­g­los eine Ver­let­zung des Grund­satzes von Treu und Glauben (Art. 52 ZPO) vor. Sie hat­te gel­tend gemacht, dass offen­bar ein men­schlich­es Verse­hen oder tech­nis­ch­er Zwis­chen­fall passiert sei, was dazu geführt habe, dass die auf dem Recht­shil­feweg zugestell­ten Unter­la­gen intern nicht an die zuständi­ge Stelle gelangt seien. Sie sei in einem anderen Patentver­fahren vertreten gewe­sen, was dem Bun­despatent­gericht zeige, dass sie auf Kla­gen nicht mit Untätigkeit reagiere. Für ihre Nichtreak­tion gebe es daher keinen einzi­gen sach­lichen Grund. Umso eher hätte das Bun­despatent­gericht stutzig wer­den und bei der Beklagten nach­fra­gen sollen, ob diese tat­säch­lich nicht am Ver­fahren teil­nehmen wolle (E. 3.1). Diese Argu­mente fan­den beim Bun­des­gericht kein Gehör. Für die ver­langte Rück­frage fehle es an der geset­zlichen Grund­lage. Art. 52 ZPO führe sodann nicht dazu, dass das Bun­despatent­gericht nach kor­rekt erfol­gter Zustel­lung sich durch (formelle oder informelle) Rück­fra­gen vergewis­sern müsse, ob die zugestellte Ver­fü­gung intern auch tat­säch­lich an die zuständi­ge Stelle gelangt sei. Es sei nicht dessen Sache, Mut­mas­sun­gen über die Gründe für die fehlende Reak­tion im Prozess anzustellen bzw. die entsprechen­den Gründe in Erfahrung zu brin­gen (E. 3.2).