4A_579/2016: Anfechtung Generalversammlungsbeschluss (amtl. Publ.)

Dem Urteil lag fol­gen­der Sachver­halt zugrunde:

Das voll liberierte Aktienkap­i­tal der A. AG ist aufgeteilt in 380 Name­nak­tien zu CHF 1’000 (Stam­mak­tien) und 1’200 Name­nak­tien zu CHF 100 (Stimm­recht­sak­tien). Anlässlich der ordentlichen Gen­er­alver­samm­lung standen sich zwei Lager gegenüber: ein­er­seits die Aktionäre C.B. und D.B., die zusam­men über eine Kap­i­tal­beteili­gung von CHF 250’000 und eine Stimmkraft von 1’330 Stim­men ver­fügten; ander­er­seits die Aktionärin E.B., die eine Kap­i­tal­beteili­gung von CHF 250’000 und eine Stimmkraft von 250 Stim­men vertrat.

E.B. lehnte den Antrag des Ver­wal­tungsrats, die Revi­sion­sstelle wiederzuwählen, ab. Entsprechend ihrer Kap­i­tal­beteili­gung von 50 % des Aktienkap­i­tals wurde deshalb keine Revi­sion­sstelle gewählt.

Der Ver­wal­tungsrat beschloss daraufhin (gegen die Stim­men von E.B.), eine ausseror­dentliche Gen­er­alver­samm­lung einzu­berufen, um die Statuten zu ändern und die Wieder­wahl der bish­eri­gen Revi­sion­sstelle zu beantra­gen. Die gel­tenden Statuten sahen unter anderem vor, dass bei Stim­men­gle­ich­heit bei Wahlen das Los entschei­de. Mit der Statutenän­derung sollte dieser Losentscheid abgeschafft und auch bei Stim­men­gle­ich­heit bei Wahlen der Präsi­dent des Ver­wal­tungsrats mit Stichentscheid entscheiden.

An der ausseror­dentlichen Gen­er­alver­samm­lung stimmten C.B. und D.B. der Statutenän­derung zu, E.B. stimmte dage­gen. Nach­dem sodann C.B. und D.B. für und E.B. gegen die Wieder­wahl der bish­eri­gen Revi­sion­sstelle ges­timmt hat­ten, wurde Let­ztere mit Stichentscheid des Ver­wal­tungsrat­spräsi­den­ten wiedergewählt.

E.B. erhob daraufhin erfol­gre­ich Klage vor dem Han­dels­gericht Aar­gau, welch­es die bei­den ange­focht­e­nen, an der ausseror­dentlichen Gen­er­alver­samm­lung gefassten Beschlüsse aufhob.

Das Bun­des­gericht wies die von der A. AG erhobene Beschw­erde ab.

Hin­sichtlich der Wahl der Revi­sion­sstelle wies das Bun­des­gericht darauf hin, dass — vor­be­hältlich ein­er abwe­ichen­den Regelung in den Statuten — für die Wahl des Ver­wal­tungsrats und damit min­destens indi­rekt auch dessen Präsi­den­ten die Mehrheit der Aktien­stim­men (und nicht die Kap­i­talmehrheit) mass­gebend sei (Art. 693 OR, Art. 704 OR). Dass eine mit der Stim­men­mehrheit und dem entsprechen­den Übergewicht der Stimm­recht­sak­tien gewählte Per­son indessen durch Stichentscheid über die Wahl der Revi­sion­sstelle entschei­den könne, ver­stosse gegen Art. 693 Abs. 3 OR. Denn für die Wahl der Revi­sion­sstelle sei der Grund­satz der kap­i­talmäs­si­gen Bemes­sung des Stimm­rechts zwin­gend (E. 3.2).

Betr­e­f­fend die Statutenän­derung bestätigte das Bun­des­gericht die von der Vorin­stanz fest­gestellte Rechtswidrigkeit, da die Änderung gegen das Gebot der scho­nen­den Recht­sausübung ver­stosse. Es ver­wies auf die Unzuläs­sigkeit von statu­tarischen Beschränkun­gen der Ein­flussmöglichkeit­en von Min­der­heit­sak­tionären, welche zur Erre­ichung der angestrebten gesellschaft­srechtlichen Ziele nicht erforder­lich seien oder mit weniger ein­schnei­den­den Mit­teln gle­ich­falls erre­icht wer­den kön­nten (E. 4.3). Mit dem Losentscheid werde nach den gel­tenden Statuten für den Fall ein­er Pattsi­t­u­a­tion bei Wahlen die Hand­lungs­fähigkeit der Gesellschaft sichergestellt. Der umstrit­tene Ersatz durch den Stichentscheid des Ver­wal­tungsrat­spräsi­den­ten betr­e­ffe keine andere Sit­u­a­tion und ver­möge im Ergeb­nis die Hand­lungs­fähigkeit der Gesellschaft nicht bess­er zu gewährleis­ten als der Losentscheid. Es sei denn auch nicht nachvol­lziehbar, weshalb all­ge­mein der Stichentscheid eine bessere Lösung für die A. AG sei. Das Bun­des­gericht überzeugte sodann das Argu­ment von E.B., wonach die Aktionäre mit Stim­men­mehrheit bei möglichen Losentschei­den weniger gut als bei Stichentschei­den ohne Rück­sicht auf ihre Mei­n­ung entschei­den kön­nten und eher nach ein­vernehm­lichen Lösun­gen suchen müssten. Im Übri­gen ver­wies das Bun­des­gericht auf die Fest­stel­lung der Vorin­stanz, wonach die A.AG keine all­ge­meinen Gründe für die Neuregelung habe anführen kön­nen, son­dern die Statutenän­derung vorgenom­men habe, um die von den Aktionären mit Stimm­recht­sak­tien gewün­schte Wahl vornehmen zu kön­nen (E. 4.4).