6B_537/2016 (BGE 143 IV 85; ital.): Beschwerde in Strafsachen unzulässig in selbständigen Einziehungsverfahren der Bundesanwaltschaft

Im Entscheid 6B_537/2016 (BGE 143 IV 85, ital.) hat­te das Bun­des­gericht zu entschei­den, ob in einem von der Bun­de­san­waltschaft geführten selb­ständi­gen Einziehungsver­fahren gegen den zweitin­stan­zlichen Entscheid der Beschw­erdekam­mer des Bun­desstrafgerichts auch noch die Beschw­erde in Straf­sachen ans Bun­des­gericht offen­ste­ht. Das Bun­des­gericht verneinte diese Frage, namentlich, da in vor­liegen­der Kon­stel­la­tion zunächst bere­its die Strafkam­mer und danach die Beschw­erdekam­mer des Bun­desstrafgerichts entsch­ieden hatte.

Aus den Erwä­gun­gen (freie Über­set­zung aus dem Italienischen):

1.5 Vor­liegend wird die von den Vorin­stanzen gewählte Ein­leitung eines selb­ständi­gen Einziehungsver­fahrens i.S.v. Art. 376 ff. StPO von den Parteien nicht per se bestrit­ten. Die Strafkam­mer des Bun­desstrafgerichts hat, als erste Instanz, über die Ein­sprache des Beschw­erde­führers gegen die Beschlagnah­mev­er­fü­gung der Bun­de­san­waltschaft entsch­ieden (vgl. Art. 377 Abs. 4 i.V.m. Art. 356 StPO). Die Ver­fü­gung der Strafkam­mer des Bun­desstrafgerichts vom 27. Mai 2015, welche die Beschlagnahme ange­ord­net hat, wurde in der Folge vom Beschw­erde­führer mit­tels Beschw­erde an die Beschw­erdekam­mer des Bun­desstrafgerichts weit­erge­zo­gen. Anders als im Fall, der dem BGE 133 IV 278 zugrunde lag, […], hat die Beschw­erdekam­mer des Bun­desstrafgerichts somit nicht direkt über eine von der Bun­de­san­waltschaft ange­ord­nete Beschlagnahme entsch­ieden, namentlich im Zusam­men­hang ein­er Ein­stel­lung des Strafver­fahrens (vgl. Art. 320 Abs. 2 StPO), son­dern hat als Beschw­erde­in­stanz gegen einen Entscheid der Strafkam­mer des Bun­de­strafgerichts entsch­ieden.  Deswe­gen, und da es sich um ein unab­hängiges Einziehungsver­fahren i.S.v. Art. 376 ff. StPO han­delt, welch­es der Bun­des­gerichts­barkeit unter­liegt, entschei­det über die von der Bun­de­san­waltschaft ver­fügte Beschlagnahme zunächst die Strafkam­mer und anschliessend die Beschw­erdekam­mer des Bundesstrafgerichts.

Wie gese­hen, hielt das Bun­des­gericht in BGE 133 IV 278 E. 1.2.2. eine Beschw­erde in Straf­sachen gegen einen Entscheid der Beschw­erdekam­mer bezüglich ein­er Beschlagnahme von Ver­mö­genswerten, die von der Bun­de­san­waltschaft im Zusam­men­hang mit ein­er Sistierung der Unter­suchung ange­ord­net wor­den war, für zuläs­sig. Es erwog, dass es sich nicht recht­fer­tige, die von ein­er entsprechen­den Mass­nahme betrof­fene Per­son (welche an sich das Bun­des­gericht nicht hätte anrufen kön­nen) anders zu behan­deln als jene, die von ein­er Beschlagnahme betrof­fen war, die von der Strafkam­mer des Bun­desstrafgerichts im Rah­men eines Haupt­sach­enentschei­ds ange­ord­net wurde (gegen welchen grund­sät­zlich die Beschw­erde in Straf­sachen ans Bun­des­gericht offen­stand). Im vor­liegen­den Fall war die stre­it­ige Mass­nahme demge­genüber Gegen­stand von Entschei­den seit­ens bei­der Kam­mern des Bun­desstrafgerichts, sodass sich die Frage der Ungle­ich­be­hand­lung in den genan­nten Ver­fahren nicht stellt. Im selb­ständi­gen Einziehungsver­fahren gemäss Art. 376 ff. StPO, über welch­es bere­its zwei richter­liche Instanzen der Bun­des­gerichts­barkeit entsch­ieden haben, recht­fer­tigt es sich entsprechend nicht, von der Regel in Art. 79 BGG abzuwe­ichen, wonach die Beschw­erde ans Bun­des­gericht unzuläs­sig ist gegen Entschei­de der Beschw­erdekam­mer des Bun­des­gerichts, welche keine Zwangs­mass­nah­men betr­e­f­fen. Es fol­gt, dass vor­liegend das Rechtsmit­tel in der Sache nicht über­prüft wer­den kann.

1.6 Gewiss mag dieses Ergeb­nis unbe­friedi­gend erscheinen, vor allem, wenn man bedenkt, dass der Weg der Beschw­erde in Straf­sachen an das Bun­des­gericht offen­ste­ht im Fall eines gle­ichen Ver­fahrens, das jedoch der kan­tonalen Gerichts­barkeit unter­liegt, sowie im Fall ein­er Zwangs­mass­nahme wie der Beschlagnahme (Art. 263 ff. StPO), welche eine im Ver­gle­ich zur Einziehung sog­ar weniger ein­schnei­dende Ein­schränkung der Eigen­tums­frei­heit (Art. 26 BV) darstellt.

Jedoch ist der Wort­laut von Art. 79 BGG, der die Beschw­erde gegen Entschei­de der Beschw­erdekam­mer des Bun­desstrafgerichts nur bezüglich Zwangs­mass­nah­men zulässt, klar. Eben­so ist der Wort­laut von Art. 377 Abs. 4 StPO, der dem Richter vorschreibt, über die Ein­sprache gegen den Einziehungs­be­fehl mit­tels Beschlusses oder Ver­fü­gung (oder in Form eines Urteils) zu entschei­den, klar und ein­er Ausle­gung nicht zugänglich [Ver­weis auf Botschaft]. Es sind entsprechend keine objek­tiv­en Gründe ersichtlich, um vom klaren Wort­laut dieser Nor­men abzuwe­ichen […]. Wenn eine bes­timmte vom Gesetz vorge­se­hene Norm unbe­friedi­gend ist, kann gegebe­nen­falls eine unechte Lücke recht­spoli­tis­ch­er Natur angenom­men wer­den, die jedoch grund­sät­zlich nicht vom Richter kor­rigiert wer­den kann, es sei denn, die Beru­fung auf die Norm sei rechtsmiss­bräuch­lich [Ver­weis auf BGE 141 V 481]. Dies ist jedoch vor­liegend nicht der Fall, weil schliesslich über die stre­it­ige Einziehung zwei Gerichtsin­stanzen der Bun­des­gerichts­barkeit entsch­ieden haben.”