4A_304/2018: Instanzenzug, Anfechtung von Rückweisungsentscheiden (amtl. Publ.)

Gegen­stand dieses Urteils war eine Klage aus aktien­rechtlich­er Ver­ant­wortlichkeit. Die kla­gende Gesellschaft warf ihrem ehe­ma­li­gen Ver­wal­tungsrat­spräsi­den­ten vor, einen Betrag über rund USD 764’000 zu seinen Gun­sten oder zu Gun­sten ihm nah­este­hen­der Drit­ter ohne geschäftsmäs­sige Begrün­de­theit über­wiesen zu haben (E. A).

Das Zivil­gericht des Sense­bezirks wies die Klage mit Entscheid vom 10. Dezem­ber 2014 ab. Es hielt den Beweis nicht für erbracht, dass die Zahlung zugun­sten des Beklagten oder ihm nah­este­hen­der Drit­ter erfol­gt sei (E. B.b.).

Mit Entscheid vom 2. Juli 2015 hiess das Kan­ton­s­gericht des Kan­tons Freiburg, in Erwä­gung, der Beklagte habe ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Vorin­stanz eine Pflichtver­let­zung began­gen, die Beru­fung gut und wies die Sache zur Beurteilung der weit­eren Haf­tungsvo­raus­set­zun­gen zurück. In Würdi­gung der Akten kam das Kan­ton­s­gericht sodann zum Schluss, dass die fragliche Zahlung mit über­wiegen­der Wahrschein­lichkeit eine verdeck­te Retrozes­sion bzw. Schmiergeldzahlung sei. Eine solche Zahlung sei stets rechts- und sit­ten­wdrig, weshalb die fragliche Über­weisung als rechtswidrig und somit geschäftss­chädi­gend zu werten sei. Indem der Beklagte diese Zahlung in Auf­trag gegeben habe, habe er gegen seine Treufepflicht ver­stossen (E. B.c).

In seinem Entscheid vom 10. Novem­ber 2016 erachtete sich das Zivil­gericht in Bezug auf die vom Kan­ton­s­gericht bejahte Pflichtver­let­zung als an den Entscheid vom 2. Juli 2015 gebun­den. Zudem ging es davon aus, das Kan­ton­s­gericht habe verbindlich fest­gestellt, es han­dle sich bei der stre­it­ge­gen­ständlichen Zahlung um eine Retrozes­sion bzw. Schmiergeldzahlung. Es bejahte deshalb des Ver­schulden des Beklagten. Das Zivil­gericht erachtete es indessen als unbe­wiesen, dass der Klägerin ein Schaden ent­standen sei, weshalb es die Klage erneut abwies (E. B.d.).

Auf die (erneute) Beru­fung der Klägerin trat das Kan­ton­s­gericht mit Urteil vom 16. April 2018 nicht ein. Es ver­warf die Rüge der Klägerin, das Zivil­gericht habe Art. 55 ZPO ver­let­zt, indem es angenom­men habe, bei der umstrit­te­nen Zahlung han­dle es sich um eine Schmiergeldzahlung, obwohl dies von kein­er Partei behauptet wor­den sei. Das Kan­ton­s­gericht bestätigte die Auf­fas­sung des Zivil­gerichts, wonach dieses an die entsprechende Fest­stel­lung im Rück­weisungsentscheid gebun­den sei. Da sich die Rügen der Klägerin nur auf Fra­gen bezö­gen, über die bere­its im Rück­weisungsentscheid verbindlich entsch­ieden wor­den sei, verneinte das Kan­ton­s­gericht das Rechtss­chutz­in­ter­esse der Klägerin und trat auf die entsprechen­den Rügen nicht ein (E. B.e).

Vor Bun­des­gericht richtete die Klägerin ihre Beschw­erde inhaltlich im Wesentlichen gegen den Rück­weisungsentscheid vom 2. Juli 2015 und rügte eine Ver­let­zung von Art. 55 ZPO wegen der von kein­er der Parteien behaupteten Fest­stel­lung ein­er Schmiergeldzahlung (E. C.). Der Beklagte machte (unter anderem) gel­tend, die Klägerin hätte den Rück­weisungsentscheid direkt im Anschluss an den Erlass des (zweit­en) Urteils des erstin­stan­zlichen Zivil­gerichts anfecht­en müssen (E. 2).

Das Bun­des­gericht erin­nerte zunächst daran, dass ein oberg­erichtlich­es Rück­weisung­surteil als Vor- und Zwis­ch­enentscheid im Anschluss an den erstin­stan­zlichen Endentscheid durch eine direkt gegen den let­zteren gerichtete Beschw­erde beim Bun­des­gericht ange­focht­en wer­den könne, wenn nur die Erwä­gun­gen im früheren Rück­weisungsentscheid der oberen kan­tonalen Instanz ange­focht­en wer­den und ein erneutes kan­tonales Rechtsmit­tel daher von vorn­here­in nut­z­los wäre (E. 2.2.1 mit Ver­weis auf BGE 143 III 290, E. 1.5 [siehe auch die Zusam­men­fas­sung auf Swiss­blawg]).

Sodann stellte das Bun­des­gericht klar, dass eine direk­te Beschw­erde zuläs­sig, die durch den früheren Rück­weisungsentscheid belastete Partei hinge­gen nicht verpflichtet sei, diese Möglichkeit zu nutzen. Es begrün­dete dies damit, dass die betrof­fene Partei nicht gezwun­gen wer­den müsse, ein von vorne­herin nut­zlos­es kan­tonales Rechtsmit­tel zu ergreifen. Ob das Ergreifen des Rechtsmit­tels jedoch eine solche leere, zweck­lose For­mal­ität bedeute, sei nicht immer ein­deutig zu bes­tim­men. Vielmehr dürfte, wie das vor­liegende Ver­fahren zeige, oft Inter­pre­ta­tions­be­darf darüber beste­hen, über welche Punk­te im Rück­weisungsentscheid abschliessend und für bei­de kan­tonale Instanzen verbindlich entsch­ieden wor­den sei. Eine direk­te Beschw­erde an das Bun­des­gericht sei nur zuläs­sig, wenn auss­chliesslich die Erwä­gun­gen im früheren Rück­weisungsentscheid ange­focht­en wür­den und es kön­nten nur Punk­te gerügt wer­den, über die das obere Gericht abschliessend — und somit für das erstin­stan­zliche Gericht verbindlich — entsch­ieden habe. Die durch den früheren Rück­weisungsentscheid belastete Partei trage mithin ein mit diesen Abgren­zungs- und Ausle­gungss­chwierigkeit­en ver­bun­denes Risiko. Es könne ihr nicht vorge­wor­fen wer­den, dass sie ein kan­tonales Rechtsmit­tel in der Mei­n­ung ein­gelegt habe, der ersten Instanz sei in den gerügten Fra­gen ein Entschei­dungsspiel­raum verblieben. Dass die Rechtsmit­telin­stanz die Ansicht der Partei über die Trag­weite des Rück­weisungsentschei­des möglicher­weise nicht teile, ändere nichts daran. Es obliege allein der mit ihren Anträ­gen unter­liegen­den Partei zu beurteilen, ob sie den kan­tonalen Instanzen­zug im Anschluss an einen nach Rück­weisung ergan­genen erstin­stan­zlichen Entscheid durch­laufen wolle oder nicht (E. 2.2.2). Die Beschw­erde war dem­nach unter diesem Gesicht­spunkt zuläs­sig (E. 2.3).

Das Bun­des­gericht trat indessen aus einem anderen Grund nicht auf die Beschw­erde ein. Zwar erachtete es das Bun­des­gericht vor dem Hin­ter­grund des gel­tenden Ver­hand­lungs­grund­satzes (Art. 55 ZPO) als frag­würdig, wenn das Kan­ton­s­gericht die stre­it­ge­gen­ständliche Zahlung als verdeck­te Schmiergeldzahlung qual­i­fizierte, obwohl solch­es soweit ersichtlich von kein­er der bei­den Parteien behauptet wor­den sei (E. 3.2). Die Klägerin könne sich indessen, so das Bun­des­gericht weit­er, nicht damit beg­nü­gen, eine Ver­let­zung des Ver­hand­lungs­grund­satzes gel­tend zu machen. Vielmehr sei sie nur zur Beschw­erde berechtigt, wenn sie ein schutzwürdi­ges Inter­esse an der Aufhe­bung oder Änderung des ange­focht­e­nen Entschei­des habe (Art. 76 BGG). Die Rüge der Klägerin, Art. 55 ZPO sei ver­let­zt wor­den, könne daher nur zum angestrebten Erfolg führen, wenn damit ihrem Stand­punkt ohne Weit­eres zu fol­gen wäre. Die Vorin­stanz hätte indessen die Sachver­halts­darstel­lung der Klägerin, wonach die fragliche Zahlung an den Beklagten bzw. ihm nah­este­hende Per­so­n­en gerichtet gewe­sen sei, als nicht erwiesen ange­se­hen. Dabei bleibe es, so das Bun­des­gericht, unab­hängig von der Begrün­de­theit der Rüge der Ver­let­zung von Art. 55 ZPO, da die Klägerin nicht aufgezeigt hätte, inwiefern die Beweiswürdi­gung des Kan­ton­s­gerichts willkür­lich sein soll (E. 3.2.1).