1B_57/2009: Urkundenfälschung, Betrug und Veruntreuung; Sistierung des Strafverfahrens

Das Bun­des­gericht hat in einem Urteil vom 16. Juni 2009 der Prax­is, ein Strafver­fahren zu sistieren bis zur recht­skräfti­gen Erledi­gung ein­er in der gle­ichen Sache ein­gere­icht­en Zivilk­lage, eine Absage erteilt. Dies ver­let­ze das Beschle­u­ni­gungs­ge­bot nach Art. 29 Abs. 1 BV.

Eine Sistierung komme zwar in Frage, wenn der Aus­gang ander­er, präjudizieller Ver­fahren (u.a. zivil­rechtlich­er Art) abzuwarten ist. Zu ihr sollte jedoch nur gegrif­f­en wer­den, wenn das Urteil im anderen Ver­fahren gle­ich­sam kon­sti­tu­tiv für das zu sistierende ist. Denn die Strafver­fol­gungs­be­hör­den haben grund­sät­zlich auch vor­frageweise Rechts­fra­gen aus anderen abzuk­lären und zu entscheiden.

Nach Ansicht des Bun­des­gerichts kom­men ver­schiedene Gründe in Betra­cht, bei deren Vor­liegen von der Sistierung eines Strafver­fahrens abzuse­hen ist:

  • Gefahr der Ver­jährung: Selb­st wenn ein Zivil­prozess vor Ein­tritt der Strafver­fol­gungsver­jährung zum recht­skräfti­gen Abschluss kommt, beste­ht die Gefahr, dass kein erstin­stan­zlich­es Stra­furteil mehr rechtzeit­ig erge­hen und damit die Ver­jährung ein­treten könnte.
  • Gefahr des Beweis­mit­telver­lusts: Das Zivil­gericht kann im Gegen­satz zur Strafver­fol­gungs­be­hörde keine Zwangs­mass­nah­men anord­nen, wenn der Beklagte die Her­aus­gabe beweis­rel­e­van­ter Urkun­den verweigert.
  • Blosse Sachver­halt­ser­mit­tlung: Geht es in der Stra­fun­ter­suchung vor­ab nicht um heik­le zivil­rechtliche Ausle­gungs- und Sub­sum­tions­fra­gen, son­dern um die Klärung des Sachver­halts, lässt das allein nicht den Schluss zu, der Endentscheid im Zivil­ver­fahren sei für die Beant­wor­tung der sich im Straf­prozess stel­len­den zivil­rechtlichen Vor­fra­gen unentbehrlich.