6B_916/2008: Beamtenbegriff; Sich-bestechen-Lassen, Vorteilsannahme; Ungetreue Amtsführung (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht hat mit Urteil vom 21. August 2009 (6B_916/2008) eine Beschw­erde teil­weise gut­ge­heis­sen, die gegen einen Entscheid der Strafkam­mer des Bun­desstrafgerichts mit Antrag auf vol­lum­fänglichen Freis­pruch ein­gelegt wor­den war. Die Strafkam­mer hat­te den Beschw­erde­führer des Sich-bestechen-Lassens (Art. 322quater StGB), der Vorteil­san­nahme (Art. 322sexies StGB), der unge­treuen Amts­führung (Art. 314 StGB) und der Urkun­den­fälschung im Amt (Art. 317 Ziff. 1 StGB) schuldig gesprochen und auf eine Frei­heitsstrafe von 10 Monat­en und eine Geld­strafe von 30 Tagessätzen à Fr. 150.- erkannt.

Der Auf­fas­sung des Beschw­erde­führers, wonach er als Immo­bilien-Port­fo­lioman­ag­er der Schweiz­erische Unfal­lver­sicherungsanstalt (SUVA) nicht dem funk­tionellen Beamten­be­griff im Sinne von Art. 110 Ziff. 3 StGB unter­falle, erteilte das Bun­des­gericht eine Absage. Unter Hin­weis auf ein Beispiel in der Botschaft Kor­rup­tion­sstrafrecht (BBl 1999, 5497 ff.) hielt das Gericht fest:

3.4.1 Aus­ge­hend von der dargestell­ten Recht­slage hat die Vorin­stanz die (funk­tionelle) Beamteneigen­schaft des Beschw­erde­führers zutr­e­f­fend bejaht. Entschei­dend ist, dass die Beschw­erdegeg­ner­in 1 als selb­ständi­ge öffentlich-rechtliche Anstalt des Bun­des [vgl. Art. 61 UVG], welch­er im Bere­ich der Unfal­lver­sicherung ein Teil­monopol zukommt, öffentliche Auf­gaben ausübt, so dass sich der strafrechtliche Schutz des Ver­trauens der All­ge­mein­heit in die Objek­tiv­ität der Tätigkeit der Beschw­erdegeg­ner­in 1 recht­fer­tigt. Dies gilt ins­beson­dere auch für den Bere­ich der Immo­bilien­ver­wal­tung, da diese der Sicherung der Renten der Ver­sicherten dient. Dass ein Teil dieser Ver­sicherungs­gelder aus nicht-oblig­a­torischen Ver­sicherungs­beiträ­gen stammte, ändert an der öffentlichen Funk­tion der Beschw­erdegeg­ner­in 1 nichts.

3.4.3 Des Weit­eren hat die Vorin­stanz, ohne in Willkür zu ver­fall­en, fest­gestellt, der Beschw­erde­führer habe als Port­fo­lioman­ag­er um die öffentlichen Auf­gaben der Beschw­erdegeg­ner­in 1 als Sozialver­sicherung gewusst und sei sich fol­glich bewusst gewe­sen, mit der von ihm getätigten Anlage der Prämien­gelder in Immo­bilien als Beamter im strafrechtlichen Sinne zu handeln.

Fern­er hat der Beschw­erde­führer hin­sichtlich der Verkaufsvor­bere­itun­gen ein­er Liegen­schaft in K. den Tatbe­stand des „Sich-bestechen-Lassens“ (Art. 322quater StGB) erfüllt. Demge­genüber sei sein Ver­hal­ten im Hin­blick auf eine andere Immo­bilie in M. aber nicht als „Vorteil­san­nahme“ (Art. 322sexies StGB) zu werten:

6.4 Die Vorin­stanz […] äussert sich jedoch nicht zum Zeit­punkt der Über­re­ichung der Ver­mö­genswerte und lässt […] offen, ob die Vorteil­szuwen­dung zukun­fts­gerichtet war oder eine nachträgliche Beloh­nung darstellte. Die Sache ist daher insoweit zur ergänzen­den Sachver­halts­fest­stel­lung an die Vorin­stanz zurück­zuweisen. Sollte die Vorin­stanz bei ihrer Neubeurteilung in Übere­in­stim­mung mit den Aus­führun­gen des Beschw­erde­führers davon aus­ge­hen, dieser habe die Ver­mö­genswerte erst im Anschluss an den Verkauf der Liegen­schaft Piaz­za­le alla Valle erhal­ten, ent­fiele zwar die Tatbe­standsvari­ante des “Annehmens”. Soweit mit dem Anklage­grund­satz vere­in­bar, wird die Vorin­stanz jedoch zu prüfen haben, ob der Beschw­erde­führer die ihm nicht gebühren­den Vorteile gefordert hat oder sich diese hat ver­sprechen lassen.

Darüber hin­aus hat sich der Beschw­erde­führer im Zusam­men­hang mit dem Verkauf der Liegen­schaft in K. auch wegen unge­treuer Amts­führung (Art. 314 StGB) straf­bar gemacht:

7.5 […] Der Unrechts­ge­halt der unge­treuen Amts­führung beste­ht darin, dass der Beamte bei einem Rechts­geschäft – hier beim Verkauf ein­er Liegen­schaft – pri­vate Inter­essen auf Kosten der öffentlichen bevorzugt. Für die Schädi­gung der öffentlichen Inter­essen ist […] aber keine formelle Entschei­dungskom­pe­tenz erforder­lich, son­dern es reicht aus, dass der Beschw­erde­führer auf­grund seines Fach­wis­sens und sein­er Posi­tion in dem Sinne Ein­fluss auf den IAA [Immo­bilien-Anlageauss­chuss] nehmen kon­nte, dass dieser dem Liegen­schaftsverkauf zu einem deut­lich unter dem Mark­twert liegen­den Verkauf­spreis zuges­timmt hat.

8.3 Gestützt auf den von der Vorin­stanz willkür­frei als nachgewiesen erachteten Sachver­halt sind die Vor­brin­gen des Beschw­erde­führers, er habe wed­er um die Machen­schaften von W.________ gewusst, noch habe er erkan­nt, dass S.________ gar keine Ver­mit­tlungstätigkeit aus­geübt habe, als blosse Schutzbe­haup­tun­gen zu qual­i­fizieren. Die rechtlichen Erörterun­gen der Vorin­stanz zum Tatbe­stand der unge­treuen Amts­führung sind zutreffend. […]

Siehe dazu auch den Beitrag in der NZZ vom 3. Sep­tem­ber 2009 sowie die weit­eren Urteile zu den krim­inellen Immo­biliengeschäften zu Las­ten der SUVA (6B_912/2008, 6B_921/2008 und 6B_421/2008).