2C_237/2009: verfassungskonforme Auslegung von BankG 34 III iVm 24 II (obiter)

Das BGer äusserte sich in einem Abschrei­bungs­beschluss im Rah­men des Koste­nentschei­ds obiter zur ver­fas­sungskon­for­men Ausle­gung von BankG 34 III (die FINMA kann von SchKG 221 ff. abwe­ichende Ver­fü­gun­gen erlassen) iVm BankG 24 II (gerichtliche Über­prü­fun­gen nur der Genehmi­gung des Sanierungs­plans und von Ver­w­er­tung­shand­lun­gen, aber nicht ander­er Verfügungen).

Die FINMA hat­te eine gegen die frühere Bank Kaupthing Lux­em­bourg SA ver­fügte Nach­lassstun­dung anerkan­nt (BankG 37g) und alle Forderun­gen gegen die Bank Kaupthing ges­tun­det, mit Aus­nahme u.a. der Forderun­gen gegen die Gen­fer Zweignieder­las­sung, über die sie bere­its früher den Konkurs eröffnet hat­te. In der Anerken­nungsver­fü­gung hat­te sie die Ver­mö­genswerte auf einem bes­timmten Konto/Depot bei der UBS der Konkurs­masse der Zweignieder­las­sung zugewiesen. Bere­its früher hat­te allerd­ings der spätere Beschw­erde­führer X. für eine Forderung gegen die Bank Kaupthing Arrest auf Ver­mö­genswerte auf dem betr­e­f­fend­en UBS-Kon­to leg­en lassen.

Nach ihrer Anerken­nungsver­fü­gung informierte die FINMA das zuständi­ge Betrei­bungsamt, welch­es das Arrestver­fahren “man­gels Vor­liegens eines Arrest­sub­strates” ein­stellte. X. focht die Ver­fü­gung der FINMA im betr­e­f­fend­en Punkt (Zuweisung der ver­ar­restierten Ver­mö­genswerte zur Konkurs­masse der Zweignieder­las­sung) an.

Das Bun­desver­wal­tungs­gericht hat­te die Beschw­erde abgewiesen, weil eine gerichtliche Über­prü­fung von Ver­fü­gun­gen in Ver­fahren nach dem 11. (“Mass­nah­men bei Insol­ven­zge­fahr”) und dem 12. Abschnitt (“Liq­ui­da­tion insol­ven­ter Banken”) des BankG nach BankG 24 II nur in Aus­nah­me­fällen (u.a. bei Ver­w­er­tung­shand­lun­gen) vorge­se­hen ist. Dage­gen liess X. Beschw­erde ans BGer führen; für die Anwen­dung von BankG 24 II im Zusam­men­hang mit der Zuweisung von Ver­mö­genswerten beste­he keine geset­zliche Grund­lage. Andern­falls müsse BankG 24 II ver­fas­sungskon­form so aus­gelegt wer­den, dass die Zuweisung als Ver­w­er­tung­shand­lung gelte und damit über­prüf­bar werde.

Das BGer hat­te diese Frage allerd­ings nicht zu entschei­den, weil in der Zwis­chen­zeit die Sanierung in Lux­em­bourg erfol­gre­ich abgeschlossen wor­den war und alle Forderun­gen gegen die Zweignieder­las­sung Genf sichergestellt und die Ver­fü­gung der FINMA “als Ganzes” aufge­hoben wor­den war. Da X. im Ergeb­nis durch den Entscheid des BVer­wGer nicht benachteiligt war, verzichtete das BGer auf dessen Über­prü­fung; es wollte auch nicht aus­nahm­sweise auf das Erforder­nis eines aktuellen prak­tis­chen Inter­ess­es verzicht­en. Im Rah­men der Kosten­ver­legung für den Abschrei­bungs­beschluss musste das BGer allerd­ings auf den mut­masslichen Ver­fahren­saus­gang abstellen. Es kon­nte deshalb obiter Fol­gen­des fes­thal­ten:

3.2.1 Vor­liegend lässt sich der mut­massliche Prozes­saus­gang nicht ohne weit­eres fest­stellen: (…) Mit dem 11. Abschnitt im Bankenge­setz schuf [der Geset­zge­ber] die rechtlichen Voraus­set­zun­gen dafür, dass die Auf­sichts­be­hörde frühzeit­ig ein­greifen und in der kri­tis­chen Phase ein­er dro­hen­den Insol­venz die zum Schutz der Gläu­biger­in­ter­essen sowie des Finanzsys­tems geeigneten Mass­nah­men tre­f­fen kann (…). Hier­für räumte er ihr einen weit­en Ermessensspiel­raum ein. Zwar ist das Liq­ui­da­tionsver­fahren grund­sät­zlich nach den Art. 221 — 270 SchKG durchzuführen (Art. 34 Abs. 2 BankG), doch ist die Auf­sichts­be­hörde jed­erzeit auch befugt, hier­von “abwe­ichende Ver­fü­gun­gen und Anord­nun­gen zu tre­f­fen” (Art. 34 Abs. 3 BankG); dabei wurde vor allem an Bes­tim­mungen formeller Natur wie Fris­ten­regeln und Ver­fahrens­abläufe gedacht.

3.2.2 Umgekehrt muss auch in diesem Bere­ich — wie die Beschw­erde­führerin zu Recht ein­wen­det — ein adäquater ver­fas­sungs- (Art. 29a BV) und kon­ven­tion­skon­former (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) richter­lich­er Rechtss­chutz gewährleis­tet bleiben. In der Dok­trin wurde der in Art. 34 Abs. 3 BankG der Auf­sichts­be­hörde eingeräumte Spiel­raum denn auch in dem Sinn kri­tisiert, (…) “Über­prü­fung durch die Jus­tizbe­hör­den” mit der Regelung von Art. 24 Abs. 2 BankG weit­ge­hend “entrückt” sei (…). Der Bun­desrat hat sein­er­seits zu Art. 24 Abs. 2 BankG aus­ge­führt, dass die Gläu­biger und Eign­er ein­er Bank unter dem neuen Banken­sanierungs- und ‑konkursrecht ver­fahren­srechtlich im Wesentlichen gle­ich gestellt sein sollen wie in den Ver­fahren nach dem Schuld­be­trei­bungs- und Konkurs­ge­setz (…). Es ste­he ihnen kein Beschw­erderecht gegen den Entscheid der Auf­sichts­be­hörde zu, auf ein Sanierungsver­fahren zu verzicht­en und eine Bank zu liq­ui­dieren bzw. gegebe­nen­falls den Konkurs über sie zu eröff­nen; die Beschw­erdele­git­i­ma­tion der betrof­fe­nen Bank werde dadurch aber nicht tang­iert; auch die Befug­nisse zu den gerichtlichen Kla­gen im Liq­ui­da­tionsver­fahren (Kollokations‑, Aus­son­derungsklage usw.) blieben offen (…).

3.3 Da der mut­massliche Ver­fahren­saus­gang somit nicht abgeschätzt wer­den kann, (…) ”