4A_432/2009: Kündigung während der Probezeit nach Kritik am Arbeitgeber nicht missbräuchlich

Das BGer beurteilte es eine Kündi­gung durch den Arbeit­ge­ber während der Probezeit und nach Kri­tik am Art­beit­ge­ber bzw. Vorge­set­zten als nicht miss­bräuch­lich iSv OR 336.

Die Kündi­gung wurde wie fol­gt begründet: 

Die Beschw­erde­führerin habe am 2. Okto­ber 2007 in einem kurzfristig von ihr ver­langten Gespräch der Lei­t­erin des Pflegezen­trums sowohl fach­liche als auch charak­ter­liche Inkom­pe­tenz vorge­wor­fen und erk­lärt, sie werde sich nach ein­er neuen Stelle umse­hen. Diese und weit­ere Äusserun­gen und Ver­hal­tensweisen der Beschw­erde­führerin verun­möglicht­en eine kon­struk­tive Zusam­me­nar­beit und belegten zudem, dass diese auch aus Sicht der Beschw­erde­führerin nicht möglich sei.” 

Nach OR 336 I b ist die Kündi­gung grund­sät­zlich miss­bräuch­lich, wenn sie aus­ge­sprochen wird, weil die andere Partei ein ver­fas­sungsmäs­siges Recht ausübt, wozu auch die Mei­n­ungsäusserungs­frei­heit nach BV 16 gehört. Im vor­liegen­den Fall war die Beru­fung auf diese Bes­tim­mung indessen erfol­g­los. Zwar ist Kri­tik am Arbeit­ge­ber vom Schutz der Mei­n­ungsäusserungs­frei­heit erfasst, doch ging es hier nicht um die Mei­n­ungsäusserungs­frei­heit als solche. Vielmehr hat­te die Arbeit­nehmerin von sich aus den Arbeit­ge­ber auf die unbe­friedi­gende Sit­u­a­tion und die in ihren Augen man­gel­nde Kom­pe­tenz der Vorge­set­zten hingewiesen. Dazu ist ein Arbeit­nehmer berechtigt, doch ist dieses Recht kein direk­ter Aus­fluss der Mei­n­ungsäusserungs­frei­heit, son­dern ergibt sich aus den gegen­seit­i­gen Für­sorge- beziehungsweise Treuepflichten.

Das BGer brauchte fern­er angesichts der beson­deren Sit­u­a­tion während der Probezeit nicht abschliessend zu klären, welche Bedeu­tung der Mei­n­ungsäusserungs­frei­heit bei der gegenüber dem Arbeit­ge­ber geäusserten Kri­tik zukommt. Das Ver­hal­ten der Arbeit­nehmerin belegte, dass die Zusam­me­nar­beit zwis­chen ihr und ihrer Vorge­set­zten schwierig war, und dass diese  offen­bar nicht damit rech­nete, es könne eine tragfähige Lösung gefun­den wer­den. Nun beste­ht der Sinn der Probezeit ger­ade darin, den Entscheid über eine langfristige Bindung in Ken­nt­nis der Arbeit­ser­fahrun­gen tre­f­fen zu kön­nen, ist es legit­im, das Arbeitsver­hält­nis zu been­den, wenn erkan­nt wird, dass es bei der Zusam­me­nar­beit zu Prob­le­men kommt. Die Kündi­gung ist daher auch dann zuläs­sig, wenn den Arbeit­nehmer an der unbe­friedi­gen­den Sit­u­a­tion kein Ver­schulden trifft oder — hier — die Vor­würfe ganz oder teil­weise berechtigt sein sollten.