6B_571/2009: Schweigen zur Identität des Fahrzeuglenkers

X. wurde wegen grober Ver­let­zung der Verkehrsregeln (Art. 90 Ziff. 2 i.V.m. Art. 32 Abs. 2 SVG und Art. 4a VRV) schuldig gesprochen. Das Kan­ton­s­gericht BL hat­te ihn – in Bestä­ti­gung der ersten Instanz – nicht nur als Hal­ter, son­dern auch als Lenker seines Fahrzeugs ange­se­hen. In sein­er Begrün­dung führte das Gericht aus, die Hal­tereigen­schaft sei ein Indiz für die Täter­schaft. Ver­weigere der Hal­ter Angaben über den Lenker, müsse davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass er das Fahrzeug sel­ber gelenkt habe (mit Hin­weis auf Urteil 1P.641/2000 vom 24. April 2001 E. 3).

Das Bun­des­gericht wies die dage­gen erhobene Beschw­erde, in der sich X. auf das Aus­sagev­er­weigerungsrecht nach Art. 6 EMRK und Art. 32 BV berief, mit Urteil vom 28. Dezem­ber 2009 (6B_571/2009) ab. Dabei betont es die anerkan­nte Prax­is, dass Schweigen die Annahme der Täter­schaft nicht auss­chliesst, wenn diese nicht zweifel­haft ist:

3.2 […] Sich auf das Aus­sagev­er­weigerungsrecht zu berufen oder die Möglichkeit ins Spiel zu brin­gen, nicht gefahren zu sein, hin­dert nicht, eine Täter­schaft anzunehmen (Urteil 6B_676/2008 vom 16. Feb­ru­ar 2009 E. 1.3; Urteil 6B_41/2009 vom 1. Mai 2009). Die Grosse Kam­mer des EGMR führte in der Sache O’Hal­lo­ran und Fran­cis gegen Gross­bri­tan­nien vom 29. Juni 2007 aus, die unter Strafan­dro­hung erfol­gte Auf­forderung an einen Fahrzeughal­ter, die Per­son zu nen­nen, die das Fahrzeug während der Geschwindigkeit­süber­schre­itung gelenkt hat­te, ver­stosse nicht gegen das Recht, zu schweigen und sich nicht selb­st zu belas­ten (teil­weise publ. in: forumpoe­nale 1/2008 S. 2 mit Bemerkun­gen von […] WOHLERS). Sie wies darauf hin, dass sich jed­er Hal­ter oder Lenker eines Motor­fahrzeugs der Strassen­verkehrs­ge­set­zge­bung unter­wirft […] [Ziff. 57]). Somit ergeben sich nach der neueren bun­des­gerichtlichen und kon­ven­tion­srechtlichen Recht­sprechung für Hal­ter und Lenker von Motor­fahrzeu­gen aus ihrer Akzep­tanz der Strassen­verkehrs­ge­set­zge­bung und ihrer Fahrberech­ti­gung gewisse Obliegenheiten.

Im vor­liegen­den Fall hat­te sich X. darauf beschränkt, bei der Befra­gung zum Grund sein­er Ein­sprache gegen den Straf­be­fehl, zu seinem Aufen­thalt­sort zur Zeit der Bil­dauf­nahme und zur Frage, ob er seinen Porsche eventuell aus­geliehen hat­te, zu erk­lären, er möchte dazu nichts sagen. Das Bun­des­gericht kam daher zu dem Schluss: 

3.3 […] Es spricht alles dafür und nichts dage­gen, dass der Beschw­erde­führer sel­ber seinen Porsche in jen­em Zeit­punkt gelenkt hat­te, als er geblitzt wurde. Unter diesen Umstän­den auf seine Täter­schaft zu schliessen, ver­stösst nicht gegen Art. 6 Ziff. 2 EMRK und Art. 32 Abs. 1 BV.

3.4 Gemäss § 46 Abs. 1 StPO/BL ist bei Aus­sagev­er­weigerung das Ver­fahren ohne Rück­sicht darauf weit­erzuführen. Das war vor­liegend der Fall. Eine willkür­liche Ausle­gung ist nicht ersichtlich.