Das Bundesgericht hat mit dem zur Publikation vorgesehenen Urteil vom 14. Januar 2010 (6B_390/2009) seine Rechtsprechung hinsichtlich des Berücksichtigens von fehlenden Vorstrafen bei der Strafzumessung geändert.
Das Gericht weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass nach seiner bisher publizierten Rechtsprechung das Fehlen von Vorstrafen zwingend strafmindernd zu berücksichtigen war (z.B. BGE 98 IV 124 E. 11 S. 131; 96 IV 155 E. III.2 S. 179; 92 IV 118 S.121) und auch seine neuere unpublizierte Praxis zur Bejahung dieser Frage tendierte (z.B. Urteile 6B_460/2008 vom 26. Dezember 2008 E. 5.3; 6B_455/2008 vom 26. Dezember 2008 E. 5.3; 6B_521/2008 vom 26. November 2008 E. 6.2 und 6.4; 6B_507/2008 vom 26. November 2008 E. 6.2 und 6.4).
Nunmehr weicht das Bundesgericht ausdrücklich von der oben genannten Praxis ab und erachtet eine Vorstrafenlosigkeit nicht mehr als zwingend strafmildernd:
2.6.4 […] kann an der bisherigen Rechtsprechung nicht festgehalten werden. In der Bevölkerung hat es als Normalfall zu gelten, (kriminell) nicht vorbestraft zu sein. Die Vorstrafenlosigkeit ist deshalb neutral zu behandeln, also bei der Strafzumessung nicht zwingend strafmindernd zu berücksichtigen. Dies schliesst nicht aus, sie ausnahmsweise und im Einzelfall in die Gesamtbeurteilung der Täterpersönlichkeit einzubeziehen, was sich allenfalls strafmindernd auswirken kann. Vorausgesetzt ist jedoch, dass die Straffreiheit auf eine aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist. Eine solche darf wegen der Gefahr ungleicher Behandlung nicht leichthin angenommen werden, sondern hat sich auf besondere Umstände zu beschränken. […]
Seinen neuen Kurs begründet das Bundesgericht ausserdem mit folgenden Erwägungen:
2.6.2 […] Weist ein Täter Vorstrafen auf, wird dies straferhöhend gewichtet […]. Die bisherige Rechtsprechung bedeutet, dass eine Vorstrafe grundsätzlich automatisch zu einer Straferhöhung, deren Fehlen dagegen zu einer Strafminderung führt. Eine neutrale Gewichtung fehlt, was an sich wenig überzeugend ist. Unbefriedigend erweist sich überdies, dass die Vorstrafenlosigkeit in der Regel undifferenziert berücksichtigt wird. Bei einem Straftäter, der eben erst mündig geworden ist, stellt sie keine besondere Leistung dar, wogegen der Umstand, nie verurteilt worden zu sein, bei einer älteren Person durchaus anzuerkennen ist. Das Beispiel zeigt, dass Vorstrafen bzw. deren Fehlen nicht ohne Bezug auf die konkreten Umstände bewertet werden sollten. […]
2.6.3 Die bisherige Rechtsprechung […] wird durch den revidierten allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches zusätzlich in Frage gestellt. Einträge im Strafregister sind nach einer gewissen Zeit aus dem Strafregister zu entfernen. Diese Fristen betragen je nach Deliktsschwere zwischen 10 und 20 Jahren (Art. 369 Abs. 1 StGB). Nach der Entfernung darf die Eintragung nicht mehr rekonstruierbar sein und das entfernte Urteil dem Betroffenen nicht mehr entgegengehalten werden (Art. 369 Abs. 7 StGB). […] Personen, deren Vorstrafen im Strafregister gelöscht wurden, gelten somit als nicht vorbestraft. Dies führt zum unbefriedigenden Ergebnis, dass der Täter gleich behandelt werden müsste wie derjenige, der sich tatsächlich noch nie vor Gericht zu verantworten hatte. Er erhielte eine niedrigere Strafe mit der an sich unzutreffenden Begründung, noch nie bestraft worden zu sein. Das registerrechtliche Fehlen von Vorstrafen ist deshalb nach neuem Recht alleine nicht mehr aussagekräftig genug, um eine Privilegierung im Strafmass zu rechtfertigen.