1B_182/2010: Vorzeitiger Strafantritt und Kollusionsgefahr

Das Bun­des­gericht bestätigt mit Urteil vom 23. Juni 2010 (1B_182/2010), in dem über die Abweisung eines vorzeit­i­gen Strafantrittes nach § 71a Abs. 3 StPO/ZH zu entschei­den hat, seine Recht­sprechung zur Kollusionsgefahr:

2.3 […] Kol­lu­sion bedeutet ins­beson­dere, dass sich der Beschuldigte mit Zeu­gen, Auskun­ftsper­so­n­en, Sachver­ständi­gen oder Mitbeschuldigten ins Ein­vernehmen set­zt oder sie zu wahrheitswidri­gen Aus­sagen ver­an­lasst, oder dass er Spuren und Beweis­mit­tel beseit­igt. Die straf­prozes­suale Sicher­heit­shaft wegen Kol­lu­sion­s­ge­fahr soll ver­hin­dern, dass der Beschuldigte die wahrheits­ge­treue Abklärung des Sachver­halts vere­it­elt oder gefährdet. Nach der Recht­sprechung des Bun­des­gerichts genügt indessen die the­o­retis­che Möglichkeit, dass der Beschuldigte kol­ludieren kön­nte, nicht, um die Fort­set­zung der Haft unter diesem Titel zu recht­fer­ti­gen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für die Annahme von Ver­dunkelungs­ge­fahr sprechen. Anhalt­spunk­te für Kol­lu­sion­s­ge­fahr kön­nen sich namentlich aus dem bish­eri­gen Ver­hal­ten des Beschuldigten im Straf­prozess, aus sein­er Stel­lung und seinen Tat­beiträ­gen im Rah­men des unter­sucht­en Sachver­halts sowie auf­grund sein­er per­sön­lichen Beziehun­gen zu ihn belas­ten­den Per­so­n­en ergeben. Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine mass­ge­bliche Beein­träch­ti­gung des Strafver­fahrens wegen Ver­dunkelung dro­ht, ist auch der Art und Bedeu­tung der von Bee­in­flus­sung bedro­ht­en Aus­sagen bzw. Beweis­mit­tel, der Schwere der unter­sucht­en Straftat­en sowie dem Stand des Ver­fahrens Rech­nung zu tra­gen (vgl. BGE 132 I 21 E. 3.2.1 S. 23).

Nach Abschluss der Stra­fun­ter­suchung bedarf der Haft­grund der Kol­lu­sion­s­ge­fahr ein­er beson­ders sorgfälti­gen Prü­fung. Er dient primär der Sicherung ein­er ungestörten Stra­fun­ter­suchung. Zwar ist auch die richter­liche Sachaufk­lärung vor unzuläs­siger Ein­flussnahme zu bewahren, ins­beson­dere im Hin­blick auf die (in der Regel beschränk­te) Unmit­tel­barkeit der Beweisauf­nahme anlässlich der Hauptver­hand­lung. Je weit­er das Strafver­fahren vor­angeschrit­ten ist und je präzis­er der Sachver­halt bere­its abgek­lärt wer­den kon­nte, desto höhere Anforderun­gen sind jedoch grund­sät­zlich an den Nach­weis von Ver­dunkelungs­ge­fahr zu stellen (BGE 132 I 21 E. 3.2.2 S. 24).
Führt eine Gesamtwürdi­gung zum Ergeb­nis, dass Kol­lu­sion­s­ge­fahr vor­liegt, ste­ht ein­er Aufrechter­hal­tung der Sicher­heit­shaft unter dem Gesichtswinkel der per­sön­lichen Frei­heit von Art. 10 Abs. 2 BV nichts ent­ge­gen. Es ist dies­falls nicht ver­fas­sungswidrig, ein Gesuch des Sicher­heits­ge­fan­genen um vorzeit­i­gen Strafantritt und damit um Über­führung in den Strafvol­lzug abzuweisen, da in den Vol­lzugsanstal­ten nicht gewährleis­tet wer­den kann, dass die Kol­lu­sion­s­ge­fahr wirkungsvoll geban­nt wird (vgl. Urteile […] 1B_140/2008 vom 17. Juni 2008 E. 2 und 1P.724/2003 vom 16. Dezem­ber 2003 […].