Rechtsanwalt X hat Y, zu deren Nachteil sein Mandant eine Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 StGB) begangen hatte, unter anderem als geistes- und verhaltensgestört, wehleidig und zwielichtig aggressiv bezeichnet und stets beim Namen mit bestimmten Artikel anstatt Anrede (“die Y”) genannt. Daraufhin wurde ihm ein Verweis wegen ungebührlichen, d.h. den ordnungsgemässen Verfahrensgang störenden, Verhaltens in einem leichten Fall gemäss § 18 Abs. 2 StPO/SO erteilt.
Das Bundesgericht schützt die Auffassung der Vorinstanzen mit Urteil vom 18. November 2010 (1B_196/2010). Derartige Bemerkungen seien geeignet, das Prozessklima aufzuheizen bzw. zu vergiften und dadurch den Verfahrensgang unnötig zu erschweren. Der Beschwerdeführer habe zwar ein legitimes Interesse daran, die Glaubwürdigkeit der Strafantragsstellerin bzw. die Glaubhaftigkeit der Strafanzeige in Frage zu stellen, doch die konkrete Art der Prozessführung sprenge den Rahmen des Zulässigen und stelle eine leichte Pflichtverletzung nach § 18 Abs. 2 StPO/SO dar.
Ferner hält das Bundesgericht fest, die Vorinstanz habe zu Recht bei ihrem Disziplinarentscheid auf das kantonale Prozessrecht abgestellt. Doch selbst wenn der Verfahrensgegenstand keine standesrechtliche Disziplinierung nach dem BGFA darstelle, müsse das Bundesgesetz im Hinblick auf Auslegung und Anwendung der kantonalrechtlichen Bestimmung berücksichtigt werden (vgl. auch BGE 130 II 270 E. 3.2.2 und 106 Ia 100 E. 8):
4.1 […] Eine Schranke bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs “ungebührliches Verhalten” bildet allerdings das (nicht direkt anwendbare) Anwaltsgesetz, dessen Art. 12 die Berufsregeln festlegt. Es wäre unzulässig, ein Verhalten, das nach dieser Bestimmung von der Pflicht zur sorgfältigen und effektiven Wahrnehmung des anwaltlichen Mandats gedeckt wird, zum Anlass einer disziplinarischen Sanktion nach § 18 Abs. 2 StPO zu machen, weil dadurch die Anwendung des Bundesrechts vereitelt würde. Als Verfechter von Parteiinteressen ist der Anwalt einseitig für seinen Klienten tätig und darf in dessen Interesse energisch auftreten und sich scharf ausdrücken, ohne jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Gleichwohl ist er zu einer gewissen Zurückhaltung verpflichtet und gehalten, Eskalationen zu vermeiden. Zwar können ehrverletzende Äusserungen, wenn sie einen hinreichenden Sachbezug haben und nicht über das Notwendige hinausgehen, unter Umständen gerechtfertigt sein. Ansonsten aber werden unnötig diffamierende Äusserungen weder von Art. 12 lit. a BGFA […] noch der Meinungsfreiheit (Art. 16 BV) gedeckt.