6B_908/2009: Geldwäscherei durch Unterlassen; Finanzintermediäre haben u.U. Garantenstellung (amtl. Publ.)

Ob ein Finanz­in­ter­mediär im Hin­blick auf den Kampf gegen Geld­wäscherei eine Garan­ten­stel­lung innehat, deren Ver­let­zung den Geld­wäschere­i­tateb­stand (StGB 305bis) durch Unter­las­sung (StGB 11) begrün­det, ist strit­tig. Das BGer bejaht diese Frage im vor­liegen­den Fall für ein Mit­glied des Leitungs­gremi­ums der Zweignieder­las­sung ein­er Bank, das ein verdächtiges Kon­to — auf dem Bestechungs­gelder ein­er aus­ländis­chen PEP lagen — nicht an ein über­ge­ord­netes Gremi­um der Bank gemeldet und dadurch nicht nur gegen GwG-Pflicht­en, son­dern auch gegen interne Richtlin­ien ver­stossen hatte.

Drei wegen pas­siv­er Bestechung verurteilte Mit­glieder ein­er brasil­ian­is­chen Behörde hat­ten einen Teil der Bestechungs­gelder in eine Bank mit Sitz in Genf und Nieder­las­sun­gen in Zürich und Lugano ver­schoben. Bank­in­tern wurde bemerkt, dass Fra­gen nach der Herkun­ft der Ver­mö­genswerte unbeant­wortet geblieben waren. Gle­ich­wohl ver­säumte es die Leitung der betrof­fe­nen Nieder­las­sung, das Comité de la Direc­tion locale, das über­ge­ord­nete Comité de la Direc­tion générale davon in Ken­nt­nis zu set­zen. Auf­grund­dessen wur­den die betrof­fe­nen Gelder nicht block­iert. Daraufhin wurde u.a. ein Mit­glied der Leitung der Nieder­las­sung vom BStrG­er der Geld­wäscherei schuldig gesprochen. 

Zunächst bejaht das BGer, dass der Staat Brasilien Geschädigter ist und damit pri­va­trechtliche Ansprüche iSv BStP 210 ff gel­tend machen kann; StGB 305bis hat Schutznorm­charak­ter. Neben weit­eren Ver­fahrens­fra­gen (namentlich Fra­gen der Beweis­er­he­bung) war — in der Sache — strit­tig, ob die Tatbe­standsvo­raus­set­zun­gen von StGB 305bis (Geld­wäscherei) erfüllt waren. Diese Bes­tim­mung ver­bi­etet jede “Hand­lung […], die geeignet ist, die Ermit­tlung der Herkun­ft, die Auffind­ung oder die Einziehung von Ver­mö­genswerten zu vere­it­eln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Ver­brechen her­rühren”. Eine Bege­hung durch Unter­las­sung (StGB 11) ist möglich, set­zt aber eine Garan­ten­stel­lung voraus.

Ob Finanz­in­ter­mediäre eine solche Garan­ten­stel­lung innehaben, ist strit­tig. Vor Inkraft­treten des GwG verneinte die über­wiegende Ansicht diese Frage. Unter der Herrschaft des GwG wird umstrit­ten, ob die Meldepflicht nach GwG 9 eine Hand­lungspflicht begrün­det, die zu ein­er Garan­ten­stel­lung führt (eine Über­sicht über den Mei­n­ungs­stand find­et sich in E. 6.2.1).  Das BGer bejaht dies im konkreten Fall für das betrof­fene Mit­glied der Leitung der Zweignieder­las­sung, das auch gegen bank­in­terne Richtlin­ien ver­stossen hatte: 

6.2.2 Il con­vient d’ad­met­tre […] que les inter­mé­di­aires financiers se trou­vent […] dans une sit­u­a­tion juridique par­ti­c­ulière qui les oblige notam­ment à clar­i­fi­er l’ar­rière-plan économique et le but d’une rela­tion d’af­faires lorsque des indices lais­sent sup­pos­er que des valeurs pat­ri­mo­ni­ales provi­en­nent d’un crime et à informer immé­di­ate­ment le Bureau de com­mu­ni­ca­tion [Meldestelle] en matière de blanchi­ment d’ar­gent s’ils savent ou pré­su­ment, sur la base de soupçons fondés, que les valeurs pat­ri­mo­ni­ales impliquées dans la rela­tion d’af­faires ont un rap­port avec un acte de blanchi­ment ou provi­en­nent d’un crime, ce en appli­ca­tion des art. 6 et 9 LBA et des direc­tives de la CFB [RS 98/1]. Il résulte désor­mais des normes con­cer­nant la lutte con­tre le blanchi­ment d’ar­gent que les inter­mé­di­aires financiers doivent, dans les lim­ites fixées par la loi (cf. art. 3 à 10 LBA), col­la­bor­er avec les autorités com­pé­tentes. Ces oblig­a­tions légales créent une posi­tion de garant.
En l’e­spèce, le recourant était mem­bre du Comité de Direc­tion locale en qual­ité de directeur de la suc­cur­sale de Zurich. En tant que tel, il occu­pait une posi­tion de garant, ses oblig­a­tions en matière de blanchi­ment découlant non seule­ment de la LBA et de la Circ.-CFB 98/1 Blanchi­ment de cap­i­taux, mais égale­ment des direc­tives internes de la banque D. et par con­séquent de son pro­pre cahi­er des charges.”

Die Garan­ten­stel­lung hätte hier — angesichts ver­schieden­er Ver­dachtsmo­mente (E. 6.3.3) — ver­langt, die fraglichen Kon­ti zu überwachen und gegeben­falls an das vorge­set­zte Gremi­um zu melden (so die inter­nen Richtlin­ien, aber auch GwG 6 und das RS 98/1).

Auch der (hypo­thetis­che) Kausalzusam­men­hang lag vor, obschon auch andere Per­so­n­en über die Sit­u­a­tion informiert waren. Zulet­zt war auch der sub­jek­tive Tatbe­stand (Vor­satz) zu beja­hen, und die Ver­jährung war noch nicht eingetreten.