4A_252/2010: Qualifikation des Architekten- und Ingenieurvertrags; Vollendung des Werks trotz Werkmangel

Das BGer bestätigt ein Urteil des HGer ZH und gle­ichzeit­ig seine Recht­sprechung, dass

  • der Architek­ten- und der Inge­nieurver­trag je nach den konkret vere­in­barten Ver­tragspflicht­en ein Werk- und/oder ein Auf­tragsver­trag sein können;
  • der Gesamtver­trag des Architek­ten ein gemis­chter Ver­trag aus Ele­menten des Werk- und des Auf­tragsver­trags ist; 
  • eine Spal­tung der Rechts­fol­gen — je nach dem Charak­ter der ver­let­zten Pflicht — möglich ist;
  • die selb­ständi­ge und in ein Pro­jekt mün­dende Aus­führung von Pro­jek­tierungsar­beit­en, das Ver­fassen von Plä­nen und Kosten­vo­ran­schlä­gen werkver­traglichen Charak­ter hat;
  • die Bauleitung und die Verge­bung von Arbeit­en auf­tragsrechtlichen Charak­ter haben. 

Strit­tig waren fern­er Fra­gen der Abliefer­ung des Werks (Vol­len­dung) und der Rechtzeit­igkeit der Mängelrüge. 

Das HGer hat­te diese Grund­sätze im Zusam­men­hang mit ein­er Hand­sicherung kor­rekt angewen­det, indem es wie fol­gt qual­i­fiziert hatte:

Werkver­traglich:

  • Pro­jek­tierungsphase: die Pro­jek­tierung von boden- und felsmech­a­nis­chen Sta­bil­itäts­berech­nun­gen, die Bemes­sung der Bau­gruben- und Hangsicherung, das Zeich­nen von schema­tis­chen geot­ech­nis­chen Schnit­ten, die Ausar­beitung eines Überwachungskonzepts und die Mitver­ant­wor­tung für die Zweck­mäs­sigkeit und Wirtschaftlichkeit der Konstruktionen; 
  • Real­isierungsphase: die Ver­i­fizierung der den boden- und felsmech­a­nis­chen Berech­nun­gen zugrunde gelegten Ken­nwerte und Mod­elle sowie Kon­troll­rech­nun­gen eben­falls als werkver­traglich.

Auf­tragsrechtlich:

  • Pro­jek­tierungsphase: die Teil­nahme an Bege­hun­gen und Besprechun­gen, Archivar­beit­en und Akten­studi­um, die Mitar­beit bei der Bere­ini­gung von Nach­trag­sof­fer­ten und die eventuelle Teil­nahme an Unternehmerge­sprächen als auf­tragsrechtlich; und
  • Real­isierungsphase: die Begleitung der Tief­bauar­beit­en, die Beurteilung der Bauabläufe, die Rap­portierung bezüglich Bauaus­führung und die Kom­men­tierung der Messergeb­nisse aus der Über­a­chung, die Mitwirkung bei der Lösung anste­hen­der Prob­leme und das eventuelle Ver­fassen von fach­spez­i­fis­chen Protokollen.

Strit­tig war vor­liegend die Ver­let­zung von werkver­traglichen Pflicht­en. Der Kläger hat­te die Prüf- und Rügeobliegen­heit (OR 367 I) ver­let­zt (rund fün­fein­halb bzw. sieben Monate nach Ent­deck­ung der geheimen Män­gel; demge­genüber geht die Recht­sprechung von ein­er Max­i­mal­frist von rund sieben Tagen aus). Aus diesem Grund hat­te er sich — erfol­g­los — auf die auf­tragsrechtliche Natur der entsprechen­den Pflicht­en berufen. 

Strit­tig war auch der Zeit­punkt der Abliefer­ung des vol­len­de­ten Werks. Das BGer bestätigt dabei, dass auch ein man­gel­haftes Werk — gle­ich welch­er Art die Män­gel sind — vol­len­det sein und abgeliefert wer­den kann; die Man­gel­frei­heit ist kein Tatbe­stand­se­le­ment der Vol­len­dung, son­dern nach Vol­len­dung und Abliefer­ung zu prüfen.