Das BVGer äussert sich in einem zur amtlichen Publikation vorgeschlagenen Entscheid vom 10. Januar 2011 (A‑6053/2010) zur internationale Amtshilfe im Zusammenhang mit dem Doppelbesteuerungsabkommen vom 2. Oktober 1996 (DBA USA-CH 96) und dem Abkommen über ein Amtshilfegesuch betreffend UBS AG vom 19. August 2009 (Abkommen USA-CH 09) mit den Vereinigten Staaten von Amerika (zusammen von der Bundesversammlung genehmigt als Staatsvertrag USA-CH 10). Von besonderem Interesse ist dieses Urteil, weil sich das BVGer darin ausführlich mit dem Begriff des “beneficial owner” auseinandersetzt.
Da der Ausdruck “beneficially owned” im Staatsvertrag USA-CH 10 zwar verwendet, aber nicht definiert wird, greift das BVGer für die Begriffsbestimmung u.a. auf das DBA USA-CH 96 zurück, wo der Wortlaut ebenfalls verwendet wird. Allerdings sei bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass das DBA USA-CH 96 eine Vermeidung von Doppelbesteuerung bezwecke (“beneficial owner” als Anspruchsvoraussetzung für Abkommensvorteile), während der Staatsvertrag USA-CH 10 die Information zu möglichen Steuerdelikten zum Inhalt habe (“beneficial owner” als Identifikationskriterium). Doch trotz der unterschiedlichen Zielsetzung der Regelungswerke diene der Begriff des “beneficially owned” in beiden Fällen dazu, die Intensität der Beziehung zwischen einem Steuersubjekt und einem Steuerobjekt aus einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu bewerten. Für das Konzept des “beneficial owner” sei daher anhand einer sog. “substance over form”-Beurteilung auf die wirtschaftliche Realität und nicht auf die zivilrechtliche Form abzustellen (E. 7.3.2).
Das Konzept des “beneficial owner” im DBA USA-CH 96 […] als Anspruchsvoraussetzung stellt auf den Umfang der Entscheidungsbefugnisse des Steuersubjekts hinsichtlich der Verwendung des massgeblichen Objekts ab, wodurch eine nur als für Rechnung der interessierenden Partei handelnde Treuhänderin oder Verwalterin (wie agents, nominees oder counduit companies) von den Abkommensvorteilen ausgeschlossen werden soll […]. Anders als im DBA USA-CH 96 […] hat das Identifikationskriterium “beneficially owned” im Staatsvertrag USA-CH 10 die Funktion, sicherzustellen, dass Kontoinformationen von einer “US Person” an die amerikanischen Steuerbehörden weitergeleitet werden, wenn diese steuertechnisch ein körperschaftliches Gebilde vorgeschoben hat, um ihre Deklarationspflicht für das sich auf dem Konto der Gesellschaft befindliche Vermögen und für die daraus erzielten Einkünften zu umgehen. Der Begriff “beneficially owned” im Staatsvertrag USA-CH 10 soll also dazu dienen, die Konstellationen zu erfassen, bei welchen unter einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (“substance over form”) die “offshore company” lediglich zur Umgehung von steuerrechtlichen Meldepflichten bzw. allenfalls zum Zweck der Steuerhinterziehung gegenüber den USA genutzt wurde.
In Anlehnung an das massgebliche Kriterium “Entscheidungsbefugnisse” beim Konzept des “beneficial owner” des DBA CH-USA 96 ist daher für eine mögliche wirtschaftliche Berechtigung an einem “offshore company account” im Sinne des Staatsvertrags USA-CH 10 entscheidend, inwiefern die “US Person” das sich auf dem schweizerischen Konto der “offshore company” befindliche Vermögen und die daraus erzielten Einkünfte durch den formellen Rahmen hindurch weiterhin wirtschaftlich kontrollieren und darüber verfügen kann. Hat die “US Person” die Entscheidungsbefugnis darüber, wie das Vermögen auf dem schweizerischen Konto verwaltet wurde und wie dieses oder die daraus erzielten Einkünfte verwendet werden, hat sich diese aus wirtschaftlicher Sicht nicht von diesem Vermögen und den damit erwirtschafteten Einkünften getrennt. In diesem Fall liegt eine wirtschaftliche Berechtigung am “off-shore company account” vor.
Die wirtschaftliche Berechtigung ist im Einzelfall anhand des rein Faktischen zu beurteilen. Insbesondere sind die heranzuziehenden Kriterien auch davon abhängig, welche (Rechts-)Form für die “offshore company” gewählt wurde. Im Fall einer Stiftung können laut BVGer folgende Indizien für eine wirtschaftliche Verfügungsmacht und Kontrolle der “US Person” herangezogen werden (7.3.3):
- Es besteht ein Mandatsvertrag zwischen der “US Person” und dem Stiftungsrat;
- die “US Person” kann die Stiftungsstatuten jederzeit abändern;
- die “US Person” ist in einem Beistatut als einzige Begünstigte zu Lebzeiten bezeichnet mit einer Nachfolgeregelung bei deren Ableben;
- die “US Person” ist in den Stiftungsstatuten als Letztbegünstigte vorgesehen;
- es besteht Personenidentität zwischen der “US Person” und dem Stiftungsrat sowie der begünstigten Person;
- die “US Person” hat ein Zeichnungsrecht für die Bankkonten der Stiftung.