Im Kanton Solothurn wurde in den Jahren 2003 und 2004 eine Reihe von Hausdurchsuchungen in Anwaltsbüros durchgeführt. Anlässlich der in einer Kanzlei durchgeführten Durchsuchungen erhob der Solothurnische Anwaltsverband (SolAV), vertreten durch Rechtsanwalt R, Strafanzeige gegen die verantwortlichen Personen des Untersuchungsrichteramtes wegen Verdachts des mehrfachen Amtsmissbrauchs. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Dagegen erhob der SolAV sowohl Beschwerde als auch Rekurs, die ebenso abgewiesen wurden wie die durch die betroffenen Anwälte eingelegte Aufsichtsbeschwerde. Im Gegenzug wurde gegen die verantwortlichen Organe des SolAV und gegen RA R eine Strafuntersuchung eingeleitet; RA R wurde schliesslich wegen mehrfacher falscher Anschuldigung gemäss Art. 303 Ziff. 1 StGB vom Obergericht SO schuldig gesprochen.
Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde vom Bundesgericht mit dem zur amtlichen Publikation vorgesehenen Urteil vom 26. November 2010 (6B_600/2010) gutgeheissen. Es kommt zu dem Schluss, dass sich die vom Beschwerdeführer als Rechtsvertreter des SolAV verfasste Anzeige nicht gegen Nichtschuldige gerichtet habe (E. 2.2). Aus dem Umstand, dass das aufgrund der gegen die beiden Untersuchungsrichter erhobenen Strafanzeige eröffnete Verfahren eingestellt worden ist, lässt sich nicht ableiten, die Strafanzeige selbst sei wider besseres Wissen gegen Nichtschuldige erhoben worden. Denn die Schuld oder Nichtschuld der Untersuchungsrichter war zum Zeitpunkt der Anzeigestellung noch nicht in einem Strafverfahren verbindlich festgestellt worden. Diese Frage bildete vielmehr gerade Gegenstand des aufgrund der Anzeige eröffneten Verfahrens.
In seinen Erwägungen hält Gericht – entgegen der Kritik aus der Lehre – somit an seiner Rechtsprechung fest, dass “nicht schuldig” bedeutet, dass die Nichtschuld – ungeachtet einer Wiederaufnahme des Verfahrens – durch Freispruch oder Nichtanhandnahmeverfügung bzw. Einstellungsbeschluss verbindlich festgestellt worden ist:
2.1 […] Das Bundesgericht hat die seitens der Doktrin erhobenen Einwände in einem neueren Entscheid nicht als durchgreifend erachtet […]. Es liege im Interesse der Rechtssicherheit, dass ein rechtskräftiger Entscheid in einem späteren Verfahren nicht mehr angefochten werden könne. Ein früheres Urteil oder ein Einstellungsbeschluss binde den Richter, der im neuen Verfahren über die Anklage der falschen Anschuldigung zu befinden habe, jedoch nur insoweit, als diese sich über Schuld oder Nichtschuld der angeschuldigten Person aussprächen. Soweit das frühere Verfahren aus Opportunitätsgründen oder gestützt auf Art. 66bis aStGB (Art. 54 StGB) eingestellt worden sei, hindere dies den Richter im Verfahren der falschen Anschuldigung nicht, über die Schuld der angeschuldigten Person erneut zu befinden (Urteil des Bundesgerichts 6P.196/2006 vom 4.12.2006 E. 7.2).