5A_645/2010: Legitimation zur Vormundschaftsbeschwerde (amtl. Publ.)

In dem zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil 5A_645/2010 vom 27. Dezem­ber 2010 äussert sich das Bun­des­gericht zur Legit­i­ma­tion von Drit­ten zur Vor­mund­schafts­beschw­erde nach Art. 420 Abs. 1 (i.V.m. 367 Abs. 3) ZGB: Grund­sät­zlich sind nur nah­este­hende Per­so­n­en beschw­erde­berechtigt, wenn sie sich auss­chliesslich auf die Wahrung von Inter­essen des Schutzbedürfti­gen berufen (E. 3.5). Das erforder­liche Nähev­er­hält­nis kann jedoch auch über eine geschäftliche Beziehung ver­mit­telt wer­den (E. 3.6).

Im beurteil­ten Sachver­halt hat­te eine Bank, die Ver­mö­genswerte des Ver­beiständigten ver­wahrte, eine Vor­mund­schafts­beschw­erde ein­gere­icht, weil der Bei­s­tand das Guthaben saldieren und auf ein Kon­to bei ein­er anderen Bank über­tra­gen liess. Sie berief sich dabei allein auf die Wahrung von Fremd­in­ter­essen auf­grund der geschäftlichen Beziehung zwis­chen dem Ver­beistän­de­ten und der zuständi­gen Bankangestell­ten; Eigen­in­ter­essen machte sie nicht gel­tend. Die Beschw­erde wurde abgewiesen.

Nach einem Überblick über die ver­schiede­nen für die Ausle­gung mass­ge­blichen Ele­mente (E. 3.4.1–2, E. 3.4.4–5) und über die Stand­punk­te der Dok­trin (E. 3.4.3) hält das Bun­des­gericht fest, dass die Beschw­erdele­git­i­ma­tion im Rah­men von Art. 420 ZGB auf nah­este­hende Per­so­n­en zu beschränken ist, sofern der Drit­tbeschw­erde­führer nur die Wahrung von Inter­essen des Schutzbedürfti­gen und keine eige­nen Inter­essen gel­tend macht (E. 3.5):

3.5 […] recht­fer­tigt es sich aber, die Legit­i­ma­tion auf Per­so­n­en einzuschränken, welche den Schutzbedürfti­gen gut ken­nen und die sich damit in berechtigter Weise für dessen Wohl ver­ant­wortlich fühlen dür­fen und beson­ders geeignet erscheinen, seine Bedürfnisse und Wün­sche auszu­drück­en. Nur sie ver­fol­gen denn auch in der Regel den Gang der vor­mund­schaftlichen Hand­lun­gen näher und ger­at­en nicht bloss zufäl­lig oder im Einzelfall mit ihnen in Berührung. […] Mit der Vor­mund­schafts­beschw­erde kön­nen zudem nicht nur Mün­delin­ter­essen, son­dern auch Eigen­in­ter­essen des Drit­tbeschw­erde­führers gewahrt wer­den […]. Hier genügt die Beru­fung auf Inter­essen, die im Rah­men der umstrit­te­nen vor­mund­schaftlichen Hand­lung hät­ten berück­sichtigt wer­den müssen und insoweit schutzwürdig sind. Solche Inter­essen kön­nen auch Per­so­n­en gel­tend machen, die dem Schutzbedürfti­gen nicht nahestehen.

Im vor­liegen­den Fall hat­te die Beschw­erde­führerin nicht sub­stan­ti­iert nachgewiesen, dass ein langjähriges Ver­trauensver­hält­nis bestand. Allerd­ings ist es laut Bun­des­gericht nicht undenkbar, dass eine Bank bzw. der zuständi­ge Bankangestellte eine nah­este­hende und damit beschw­erdele­git­imierte Per­son ist. Denn das Nähev­er­hält­nis kann auch über den Beruf der­jeni­gen Per­son ver­mit­telt wer­den, welche Vor­mund­schafts­beschw­erde führen will:

3.6 […] Eine genü­gende Nähe­beziehung wird bei ein­er blossen Kon­to- und Depot­führung ohne beson­ders engen Kon­takt allerd­ings nicht angenom­men wer­den dür­fen. Hinge­gen kom­men Fälle inten­siver­er Begleitung vor, bei denen die Qual­i­fika­tion der Bank bzw. des zuständi­gen Bankangestell­ten als nah­este­hende Per­son nicht von vorn­here­in aus­geschlossen erscheint. Dies kann etwa der Fall sein bei ein­er langjähri­gen und umfassenden Finanz­pla­nung für die betrof­fene Per­son und ihre Ange­höri­gen (z.B. Nach­fol­geregelung). […] Zu beacht­en ist des Weit­eren, dass die Beziehung in der Regel über einen bes­timmten Bankangestell­ten ver­mit­telt wird. Ob sich die Bank diese Beziehung zurech­nen lassen kann, um sel­ber Beschw­erde führen zu kön­nen, braucht an dieser Stelle jedoch eben­falls nicht entsch­ieden zu werden.