2C_673/2010: verfassungskonforme Auslegung von DBG 24 lit. d (Steuerbefreiung von Unterstützungsleistungen) (amtl. Publ.)

Das BGer hat­te DBG 24 d (Befreiung bes­timmter Unter­stützungsleis­tun­gen von der direk­ten Bun­dess­teuer) auszule­gen. Es zeigt dabei deut­liche Sym­pa­thie für die Lehrmei­n­ung, dieser Befreiungstatbe­stand schaffe eine Ungle­ich­heit vor dem Gesetz, indem es Einkom­men aus Erwerb­stätigkeit anders behan­dle als Einkün­fte aus Unter­stützungsleis­tun­gen. Das BGer legt DBG 24 d deshalb ver­fas­sungskon­form aus. Im Ergeb­nis sei der Tatbe­stand von DBG 24 d wie fol­gt zu umschreiben (Her­vorhe­bun­gen hinzugefügt): 

  • le béné­fi­ci­aire se trou­ve dans une sit­u­a­tion de gêne (besoin, “Bedürftigkeit”);
  • lorsqu’elle verse des presta­tions au béné­fi­ci­aire, l’en­tité — qu’elle soit au demeu­rant de droit pub­lic ou privé — y procède dans le but de lui venir en aide (motif de bien­fai­sance ou d’as­sis­tance; “Unter­stützung”); et, enfin,
  • que le verse­ment ait un car­ac­tère dés­in­téressé et non onéreux, soit l’ab­sence de con­tre-presta­tion ou de con­tre-par­tie exigée de la part du béné­fi­ci­aire (gra­tu­ité, “Unent­geltlichkeit”).”

In der konkreten Anwen­dung präzisiert das BGer diesen Tatbe­stand weiter:

  • Die Anwen­dung bleibt auf Fälle klar­er bzw. nachgewiesen­er Bedürftigkeit (“indi­gence avérée”) beschränkt. 
  • Eine Bedürftigkeit liegt nicht erst bei Erre­ichen des betrei­bungsrechtlichen Exis­tenzmin­i­mums oder der Unpfänd­barkeit iSv SchKG 92 ff vor, son­dern bere­its dann, wenn ein Anspruch auf Ergänzungsleis­tun­gen nach ELG 9 ff. beste­ht. Alle Ein­nah­men aus pri­vat­en Mit­teln, die diese Schwelle nicht über­schre­it­en, sind von DBG 24 d erfasst. 
  • Es schadet nicht, wenn die Unter­stützungsleis­tun­gen von ein­er Stiftung mit einem geschlosse­nen Begün­stigtenkreis stam­men (es wird also keine Verpflich­tung auf das Gemein­wohl vorausgesetzt). 
  • Fern­er schadet ein Zusam­men­hang zwis­chen der Begün­s­ti­gung ein­er Per­son mit deren früheren Anstel­lung beim der Stiftung ver­bun­de­nen Unternehmen min­destens dann nicht, wenn dieser Zusam­men­hang lediglich darin beste­ht, den Kreis der Begün­stigten zu umschreiben. Die kan­tonale Steuerver­wal­tung VD hat­te zu Unrecht angenom­men, eine solche Verbindung zwis­chen Unter­stützung und früher­er Anstel­lung lasse die Unter­stützungsleis­tung als Gegen­leis­tung für geleis­tete Arbeit erscheinen.
  • Eine Unter­stützungsleis­tung iSv DBG 24 d kann auch von ein­er Ein­rich­tung der beru­flichen Vor­sorge stam­men, denn DBG 24 d ist als umfassende Aus­nahme zum eben­so umfassenden DBG 16 I (der Einkün­fte aus der beru­flichen Vor­sorge umfasst, DBG 22 I und BVG 83) zu verstehen.