4A_656/2010: gemischt-genutzte Liegenschaft als Familienwohnung iSv OR 266m f.;an sich nichtige Kündigung, aber Rechtsmissbrauch (amtl. Publ.)

Das vor­liegende Ver­fahren betraf die Kündi­gung eines Mietver­hält­niss­es durch die Ver­mi­eterin. Das Mieto­b­jekt war ein Hotel/Restaurant mit Woh­nun­gen, das im Rah­men eines Dop­pelaufrufs (SchKG 142) ohne die Belas­tun­gen erwor­ben wor­ben war. Die Kündi­gung des nicht im Grund­buch ange­merk­ten Mietver­hält­niss­es erfol­gte in analoger Anwen­dung von OR 261 II a (gemäss BGE 128 III 82 E. 2). Die Mieter focht­en die Kündi­gung an und ver­langten gle­ichzeit­ig eine Reduk­tion des Mietzinses.Das BGer hält fest, dass die Kündi­gung an sich nichtig war, die Beru­fung auf die Nichtigkeit aber rechtsmissbräuchlich.

Vor BGer war zunächst strit­tig, ob es sich beim Mieto­b­jekt um eine Fam­i­lien­woh­nung iSv OR 266m f. han­delte; in diesem Fall wäre die Kündi­gung mit einem Form­fehler behaftet gewe­sen (keine Zustel­lung an die Ehe­frau, OR 266n). Das BGer trat auf die Beschw­erde ein. Der erforder­liche Stre­itwert (BGG 74 I) berech­net sich bei der Anfech­tung ein­er Mietkündi­gung nach dem Miet­zins, der bei Gutheis­sung der Anfech­tung bis zur näch­st­möglichen Kündi­gung min­destens aufge­laufen wäre.

Auf­grund des Geschäft­süber­tra­gungsver­trags mit den Vormi­etern (dazu BGE 129 III 18 ff.) war erstellt, dass der über­wiegende Zweck der Miete im Betrieb eines Geschäfts bestand. Gle­ichzeit­ig diente aber ein Teil des Mieto­b­jek­ts als Fam­i­lien­woh­nung. Das BGer schliesst sich hier der herrschen­den Ansicht an, wonach der beson­dere Schutz der Fam­i­lien­woh­nung nach OR 266m f. in solchen Fällen gemis­chter Nutzung greift.

Die Kündi­gung war auf­grund der beson­deren Umstände den­noch wirk­sam, weil die Beru­fung auf ihre Nichtigkeit rechtsmiss­bräuch­lich war. Die Mieter hat­ten ihre auf­grund der konkreten Umstände (u.a. waren sie damals juris­tisch berat­en) beste­hende Obliegen­heit ver­let­zt, die Ver­mi­eterin von der Nutzung des Objek­ts u.a. als Fam­i­lien­woh­nung zu informieren:

Du moment que l’in­timée a acquis l’im­meu­ble dans une vente for­cée lors de la sec­onde mise à prix [Erwerb im Dop­pelaufruf], en par­ti­c­uli­er sans le bail con­clu par les recourants avec les anci­ennes pro­prié­taires, et que le bien-fonds con­te­nait essen­tielle­ment des locaux com­mer­ci­aux à usage d’hô­tel-restau­rant, il incom­bait aux deman­deurs de faire part à l’ad­ju­di­cataire [Ersteiger­er] qu’une par­tie des locaux pris à bail ser­vait égale­ment de loge­ment de famille. Les recourants étaient par­faite­ment à même d’at­tein­dre la bailler­esse, puisque trois jours seule­ment après la vente for­cée […], leur con­seil d’alors a écrit à l’in­timée que les locataires étaient tit­u­laires d’un bail por­tant sur une par­tie de l’im­meu­ble acquis aux enchères par celle-ci et que la bailler­esse était mise en demeure d’opér­er dans les cinq jours divers travaux dans le bâti­ment. Les recourants n’ont cepen­dant pas aver­ti l’in­timée […] de la con­sti­tu­tion en cours de bail (i e. plusieurs années après sa pas­sa­tion avec les anci­ennes pro­prié­taires de l’im­meu­ble) d’un loge­ment famil­ial dans les locaux à usage d’hôtel-restaurant.”